Hier mein letztes Fazit (damit sind alle Staffeln besprochen):
Die 5. Staffel teilt die 24-Fans erneut in zwei gespaltene Lager – die einen finden sie genial, andere kritisieren die extreme Realitätsferne, die offensichtlich die Szenerien der vorhergegangenen Staffeln noch überragt.
Ein gekidnappter Präsident? Nervengas in der CTU? Mit Realität hat das alles wirklich nicht viel zu tun – aber einmal ganz ehrlich: Wer fragt sich denn bei den eben angeführten wirklich fantastisch inszenierten Nervengas-Szenen kritisch, ob das Ganze denn möglich und was für Logikfehlerchen sich hier eingeschlichen haben? Ich jedenfalls nicht! Das Ganze hält einem gründlichen Realitätscheck tatsächlich nicht stand, aber die Dramaturgie ist exzellent. Keine schnell dazu konstruierte Nebenhandlungen und mit ein noch rasanteres Tempo als gewohnt - der Zuschauer wird ohne auch nur die kleinste Verschnaufpause durch die 24 Episoden gejagt. Das alles macht auf jeden Fall Laune. Absolut zu Recht räumte diese Staffel bei den Emmy-Awards 2006 ab.
Besonders stark sind hier die Charaktere. Für Jack Bauer besteht auch der 5. Tag aus einer scheinbar endlosen Reihe von Zweifeln, Schicksalsschlägen und Risiken, als er durch den Mord an David Palmer, für den er verantwortlich gemacht wird, unsanft aus seiner 1 ½-jährigen Deckung geholt wird, um alten Bekannten und seinen eigenen Dämonen wieder entgegen zu sehen. Die Autoren haben Jack wirklich brillant und glaubwürdig (vor allem aber: schnell – so wie die Fans es gerne sehen) in die laufende Geschichte eingebracht.
Kiefer Sutherland spielt gewohnt stark, allerdings wird es langsam Zeit, dass mal wieder richtig herausfordernde Szenen (siehe 1. Staffel) für ihn geschrieben werden. Es macht aber wie gewöhnlich viel Freude, Jack bei seinen "unorthodoxen" Methoden und Vorgehensweisen zuzusehen und er ist genauso unberechenbar und persönlichkeitsstark wie eh und je.
Des Weiteren glänzen Jean Smart und Gregory Itzin als das brillanteste-verrückteste Präsidentenpaar der TV-Geschichte. Dass beiden der Emmy verwehrt blieb, ist in meinen Augen fast schon eine Schande. Besonders Jean Smart brilliert von Anfang bis Ende als exzentrische, aber geistesgegenwärtige Martha Logan. Gregory Itzin neigt ab und an zu mimischen Übertreibungen, spielt aber ebenfalls hervorragend als absolut entscheidungsunfähiger Präsident – im tollen, krassen Kontrast zu David Palmer. Den Präsidenten selbst (was nun wirklich niemand erwartet hätte) als Drahtzieher einer aus dem Ruder laufenden Verschwörung (so paradox sie auch sein mag) zu zeigen, ist mutig und einfach vollkommen gelungen. Im Zusammenhang mit Präsident George W. Bush hat das Ganze sogar einen im Kern leider sehr realistischen Polit-Satire-Touch.
Insgesamt glänzt aber das gesamte Ensemble in jenem 24-Jahr. Mary Lynn Rajskub als Chloe O’Brian ist wieder herrlich übellaunig und verschroben und bleibt einem im Gegensatz zur 4. Staffel, in der sie einige Folgen fehlte, die ganze Staffel über erhalten. Kim Raver als Audrey Raines ist nicht mehr fehl am Platz und ständig am Heulen, sondern engagiert, mutig und durchweg sympathisch; auch die in der 4. Staffel begonnene (eigentlich "zwangs-beendete") Jack-Audrey-Romanze wird schön zurückhaltend ohne Kitsch und unnötig langes Gerede fortgesetzt. Sogar Elisha Cuthbert als Kim Bauer nervt dieses Mal nicht, sondern begnügt sich mit einem recht kurzen, aber interessanten Gastauftritt (ein netter Zusatz zur Handlung), im Schlepptau mit ihrem neuen Freund, einem überambitionierten, herrlich unsympathischen Psychiater. Nicht vergessen darf man Sean Astin als ebenfalls wunderbar unsympathischen, arroganten und paranoiden Lynn McGill, der sich letztendlich für alle opfert und so leider – kaum als neuer Charakter vorgestellt – wieder abtreten muss. Bill Buchanan hat sich nun endgültig als neuer Hauptcharakter etabliert – als couragierter, kompetenter CTU-Leiter, dem man einfach vertraut und von dem vermutlich auch niemals enttäuscht werden wird, weil er einfach ein Sympathieträger ist.
Edgar Stiles‘ Tod kam überraschend, ist genial in Szene gesetzt und natürlich extrem schade, denn seine Wortgefechte mit einer ständig schlecht gelaunten Chloe waren einfach immer klasse anzusehen.
Carlos Bernard als Tony Almeida mit dem noch überraschenderen Abgang gleich eine Folge nach Edgar Stiles ist nicht lange zu sehen, gibt aber eine starke Vorstellung. Und wie sieht es dieses Mal auf der Seite der bösen Jungs aus? Da fällt einem zuerst der hinterhältige, aber trotzdem gegen jede Regel seltsam sympathische Christopher Henderson, Jacks ehemaliger Mentor, ein – einfach perfekt verkörpert von Peter Weller (und wo blieb hier die Emmy-Nominierung?). Aber auch Julian Sands als Bierko ist äußerst sehenswert, obwohl dieser nicht so ein differenziert gezeichneter Charakter wie Henderson ist. Auf der Seite der Guten (was zunächst nicht so aussah) muss auch Jayne Atkinson als Karen Hayes genannt werden, der man ihre Rolle einfach absolut abnimmt.
Der Nervengas-Plot mit der verworrenen Verschwörung läuft sehr gut mit der Überführung von Charles Logan zusammen. Kritisiert werden kann der arg konstruierte U-Boot-Nebenplot, der für viele nur als Zeitschinderei angesehen wird, was vermutlich auch stimmt. Allerdings war so ein Plot auch wichtig, da die Jagd auf Logan sonst zu langgezogen gewesen wäre. Immerhin passt das Ganze letztendlich nahtlos zusammen, so schnell "eingeworfen" es auch wirken mag – und spannend ist es allemal. Schade, dass auch Henderson hier das Zeitliche segnen muss. Fehl am Platz in diesem grandiosen Ensemble wirkt (wie auch schon in der 3. Staffel) DB Woodside als Wayne Palmer, der es einem mit recht hölzernem Spiel doch sehr schwer macht, mit ihm zu sympathisieren. Als überaus spannend erweist sich wiederum die gesamte Flugzeug-Geschichte (besonders die Debatte um den Abschuss des Fliegers).
Da die Autoren selbst noch nicht genau wussten, dass Logan der "Hauptverantwortliche" werden würde, sind manche Szenen zu Beginn der Staffel nicht ganz stimmig. Manchmal wirkt die ganze Verschwörungsgeschichte sehr abgestanden; letztendlich vergisst man diese im Gesamtbild auch nicht sonderlich störenden Logiklücken aber; bei all den originellen Wendungen und der immer perfekt balancierten Dramatik. Man hat auch wenig Zeit, darüber nachzudenken, denn ein Cliffhanger jagt den nächsten. Das mag auch als kritischer Punkt angesehen werden, denn vieles wird sehr schnell abgehandelt, damit die Handlungsstränge in der vorgegebenen Zeit beendet werden können. So geht es zum Beispiel sehr rasch von der Verdächtigung Audreys (klasse gespielte Verhörszene) zur Auflösung im Gaswerk (mit gigantischen Explosionen, denen man das riesige Budget in jeder Sekunde anmerkt).
Die 5. Staffel wartet mit vielen Szenen (und Episoden) auf, an die man sich gerne erinnert und die man sich immer wieder ansehen könnte. Unvergessen die gesamte Eingeschlossen-Im-Konferenzraum-Episode mit dem Nervengas, wobei niemals Langeweile aufkam (obwohl sich das Ganze hauptsächlich in einem Raum abspielte). Genial auch die Szene, in der Jack Miriam Henderson ins Bein schießt, die Einkaufscenter-Panik und die fantastische Finalfolge mit Jacks eindringlichem Monolog gegenüber Logan (im Deutschen ein Beispiel für miese Synchronisation), Marthas toll gespielten Zusammenbruch am Flughafen, Logans Überführung und ein letzter Blick von ihm zu seiner Frau (da konnten sich sicherlich Wenige das Frohlocken verkneifen) und schlussendlich das absolut überraschende Ende mit Jacks Überseefahrt ins ferne China, nachdem man sich gerade wieder einmal naiv an einem Happy-End gefreut hatte.
Alle Fans, die die Serie in der deutschen Fassung sehen, müssen an der wirklich üblen Synchronisation leiden. Unbedingt mit Originalton ansehen!
Noch einmal als kurze Zusammenfassung: Trotz Realitätsferne gibt es Tempo, viel Action und genau dosierte dramatische Elemente, die sich überraschenderweise zu einem genialen Ganzen zusammenfügen. Eine tolle Staffel!
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