Fanfic: (Spoiler S6!) Verloren

    • Fanfic: (Spoiler S6!) Verloren

      Titel: Verloren
      Autor: callisto24
      Fandoms: 24, Renegades
      Charaktere: Jack Bauer, Hank Storm
      Genre: Drama, möglicherweise m/m slash in Andeutungen... wird sich zeigen worauf Jack hinaus will.. :grin_still:
      Rating: R
      Thema: Jack nach Season6, Crossover
      Warnungen: Depressionen, Drogen, Alkohol, Gewalt, Tod, etc...
      Anmerkungen: Nichts davon gehört mir, kein Geld wird verdient.
      * * * * *
      Ich war so frei den Lou Diamond Phillips Charakter, Hank Storm aus ‘Renegades’ in das 24 Universum aufzunehmen. Die Beiden harmonieren so wunderbar, dass einfach mal getestet werden musste, wie sich Hank mit Jack verstehen würde.
      Forumstopic zu Renegades hier: Renegades :):
      * * * * *

      An dieser Stelle meinen allerherzlichsten Dank an NJPAX von KieferLouFic , die mir Nachhilfe in Geschichte und Kultur der Lakota gibt und geduldig all meine dummen Fragen beantwortet. Sie hat mir nicht nur versichert, dass unser kalifornischer Junge tatsächlich in Süd Dakota fürchterlich frieren würde, sondern auch, dass Teile des Kommenden durchaus denkbar wären. Alle Fehler und Irrtümer sind die meinen, absolut unabsichtlich und begründet auf meinem Unwillen Recherchen zu betreiben, oder das Geschriebene zu kontrollieren.
      Falls irgendjemand auf den Gedanken kommen sollte, sich etwas in das Renegades - Universum zu vertiefen, dies hier ist die einzige Geschichte online, die aber wunderbar zeigt, in welche Richtung der Film die Autoren geführt hat. Adults only!! Slash!!! zu finden hier, wenn du älter als 18 Jahre bist - ansonsten WEGBLEIBEN!!! :]

      * * * * *
      South Dakota

      * * * * *

      Die Bar war mäßig gut besucht, nicht ungewöhnlich an einem normalen Wochentag. Der Qualm in der Luft verhinderte klare Sicht, hüllte die Welt in grauen Dunst, ermöglichte es dem einsamen Besucher in ihren Schatten zu verschwinden.
      Er hielt sich nicht oft für längere Zeit in ein und derselben Gegend auf, war zu lange gefangen gewesen, gezwungen an einem Ort, den er verabscheut hatte, auszuharren, nichts mehr vermochte ihn zu binden, nichts konnte ihm einen Grund geben zu verweilen. Und dann war da noch die Angst, die niemals vollkommen verschwinden würde, die Sorge, dass es wieder losgehen könnte, dass sich doch jemand an ihn erinnerte.
      Wer oder warum, diese Frage hatte mittlerweile ihre Bedeutung verloren, es würde immer etwas in der Dunkelheit auf ihn lauern, das Unheil würde nicht aufhören ihn zu verfolgen, der Schrecken kein Ende haben bis ... ja, bis ein gnädiges Schicksal ihn erlösen, ihm den Frieden schenken würde, den er ersehnte.
      Obwohl es nichts mehr gab, das er zu fürchten hatte, nichts, das ihm noch genommen werden, das ihn oder die Ruinen seiner Selbst erschüttern konnte, blieb der bittere Geschmack in seinem Mund, das Wissen, dass er den Weg weitergehen musste, so sehr er sich auch dagegen sträuben mochte. Was es war, das ihn verstockt, beinahe störrisch, an seinem Leben festhalten ließ, das es ihm verbot, ihm stets - auch in seinen schwersten Stunden - verboten hatte, aufzugeben, ihm unermüdlich befahl zu kämpfen, ihn mit starker Hand daran hinderte der Trägheit nachzugeben, die ihn verlockte, die ihm zurief - ob laut - oder leise -, dass es an der Zeit wäre, die Schlacht zu beenden, das Duell mit der dunklen Macht, die ihn in ihren Klauen hielt, solange er denken konnte, unwiderruflich zu verlassen, - er wusste es nicht, hatte es nie verstanden.
      Er wusste nur noch das Eine, dass er den Kampf nicht mehr wollte, dass es keinen Sinn mehr ergab zu wünschen, zu hoffen... keinen Sinn mehr für ihn.

      Er schloss die Augen und öffnete sie gleich darauf wieder, obwohl der Rauch sie tränen ließ. Oder es waren die Bilder seiner Tochter, die Bilder der wenigen Menschen, die ihm noch geblieben waren, die er noch nicht auf seinem Gewissen hatte, die ihm den Schmerz bewusst machten, der niemals zu enden schien.
      Er wollte nicht mehr, konnte nicht mehr zurück, es gab nichts mehr, nichts mehr für ihn, nichts mehr, das er riskieren würde, in Gefahr zu bringen.
      Die klare Flüssigkeit aus seinem Glas brannte in seiner Kehle, doch die Trauer konnte sie ihm nicht nehmen, seine Hoffnungslosigkeit hatte jene Grenze erreicht, die in baldige Verzweiflung übergehen würde, die sich nicht mehr betäuben lassen würde, nicht mehr auf eine Art, die ihm erlaubt war.
      Er starrte auf die zerdrückte Packung Zigaretten, die vor ihm, auf dem rohen Holztisch lag, auf das Etikett der Flasche, die er bereits halb geleert hatte, und deren Inhalt keine Wirkung mehr auf ihn zu haben schien.
      Zumindest nicht die Wirkung, die er sich erhoffte, die er mit jeder Faser seines Körpers ersehnte, und die ihm dennoch versagt blieb.
      Er hatte sich daran gewöhnt. Seit seinem Entzug war das Verlangen nach der Droge sein ständiger Begleiter geworden, einer der Dämonen, die ihn jagten, eine der Herausforderungen, denen er begegnen musste, jeden Tag aufs Neue. Es war ein Feind, den er kannte, den er akzeptierte, als das, was er war - eine Notwendigkeit, ein Preis, den er bewusst bereit gewesen war zu bezahlen, ohne die Entscheidung auch nur eine Sekunde lang bereut zu haben.
      Es war notwendig gewesen sich seiner Schwäche hinzugeben, unvermeidlich, um sein Ziel zu erreichen, das Vertrauen zu erringen, das er benötigt hatte.
      Aber er hatte nicht mit der Wucht der Empfindungen gerechnet, die ihn durchströmten, als er zum ersten Mal die Nadel in seinen Arm senkte. Als er zum ersten Mal diese Reise antrat, zum ersten Mal spürte, wie es sein konnte, alles um sich herum zu vergessen, nicht mehr vorhanden zu sein, nicht mehr er selbst, nicht mehr der Jack, den er hasste, der Jack, der er nicht mehr sein wollte. Er war in diesem Moment eins mit der Welt geworden, im Einklang, geborgen in dem unbeschreiblichen Frieden, den er von diesem Augenblick an nicht aufhören konnte zu ersehnen, nicht in Mexico, nicht danach, nicht in Gefangenschaft und nicht in Freiheit.
      Und er war es müde dieses Verlangen zu verleugnen, müde Tag für Tag, Nacht für Nacht die Kraft zu sammeln, den Schrei seines Körpers nach Entspannung, den seiner Seele nach Erlösung
      wieder und wieder zu überhören, sich taub zu stellen, ebenso wie er sich taub gegenüber seinen anderen Bedürfnissen zu stellen gewohnt war.

      Er hob sein Glas, betrachtete den silbernen Spiegel, der das schummrige Licht des Raumes fing , und stürzte den Inhalt entschlossen die Kehle hinunter.
      Das Feuer, das er in seinem Magen entfachen, das ihm wenigsten die Illusion von etwas Wärme schenken sollte, war erloschen noch ehe es seine Lippen erreichen konnte, war außerstande die Kälte zu verhindern, die in ihm emporkroch.
      Jack fröstelte.
      Er zog die ausgeleierte Lederjacke vorne zusammen und beugte sich nach vorne, als wollte er auf diese Weise versuchen, zumindest seine Körpertemperatur zu bewahren.
      Normalerweise war er nicht empfindlich, doch der Tatsache, dass er sich nicht mehr im Süden der USA befand, musste letztendlich Rechnung getragen werden.
      Wieder erschauerte er leicht, trotz oder gerade wegen des Alkohols, den er konsumiert hatte. Die Luft war dick, beinahe unerträglich in ihrer Schwere, und Jack fiel es mit einem Mal schwer Atem zu holen.
      Er musste hier heraus, konnte diesen Raum nicht mehr ertragen, konnte nicht bleiben.
      Es war Zeit zu gehen, Zeit seinen Entschluss in die Tat umzusetzen, Zeit zu kapitulieren.
      Seine Hand umklammerte die Ecke des Tisches, bis die Knöchel unter den schrecklichen Narben weiß hervortraten. Der Anblick lähmte ihn zusätzlich, machte den Versuch aufzustehen zunichte.
      Hilflos blickte er auf, ohne etwas zu sehen. Die wabernden Rauchschwaden vernebelten seinen Blick, der Boden wankte unter ihm. Noch fester klammerte er sich an das grobe Möbelstück, biss die Zähne zusammen bis sie schmerzten.
      Er konzentrierte seine Gedanken auf das, was er zu tun beabsichtigte, schloss die Welt davon aus. Übrig blieb nur die schmale Tasche, die in der Innenseite seiner Jacke verborgen war, das schwarze Päckchen, das er mit sich trug, das er bei sich hatte in dem Wissen, dass er es eines Tages brauchen würde.
      Und dieser Tag war gekommen. Seine Nerven spannten sich in Erwartung, sein Atem ging stoßweise, als er das zur greifbaren, fassbaren Form gewordene Geheimnis sich an seinen Körper schmiegen spürte, fühlte wie es sich in sein Fleisch brannte.
      Es war falsch ihm nachzugeben, er wusste es, es war ihm nicht erlaubt.
      Doch gab es nichts, das ihn jetzt noch davon abhalten, dass imstande wäre ihn daran zu hindern zu tun, was er tun wollte. Er konnte das Gift erahnen, es schmecken, es durch seine Venen rasen fühlen, spüren wie es ihn befreite, wie es ihm schenkte, was er sich ersehnte.
      Es war Zeit zu gehen.
      Jack löste den Blick und sah hoch.
      Schwarz glänzende Augen hypnotisierten ihn, bannten seine Bewegungen, lähmten seine Muskeln.
      Nur einen Augenblick, nur für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke durch den Raum, lösten sich gleichzeitig voneinander, nur um wieder zu ihrem Ziel zurückzukehren.
      Jack spürte einen Stich, einen Schmerz, den er nicht einordnen konnte, den er nicht einordnen wollte.
      Mit einem leisen Stöhnen wandte er sich ab, verbannte den Eindruck aus seinem Geist, stützte sich schwer auf die Tischplatte, bevor es ihm gelang sich nach oben zu ziehen. Unsichere Finger suchten einen verknüllten Geldschein hervor, warfen ihn achtlos auf den Tisch.
      Es war an der Zeit aufzugeben, den Kampf zu beenden, der Droge den Sieg zu überlassen.
      * * * * *

      Dieser Beitrag wurde bereits 6 mal editiert, zuletzt von callisto ()

    • :74: Mir fehlen echt die Worte, callisto!
      Eine der besten Fanfics die ich je gelesen habe. Und was mich sehr froh macht, ist, dass sie noch nicht zu Ende ist.
      Ich glaube LeAnn hat das richtige Wort schon gesagt. Intensiv, trifft es voll und ganz. Wirklich ganz ganz große Klasse. :daumen:

      Bitte poste schnell mehr, kann nicht warten!!


      Jack Bauer: Let´s get something straight, kid. The only reason you´re still concious is, because I don´t wanna carry you.
    • Einfach genial :daumen:
      Man kann sich so richtig in Jacks Lage versetzten.
      Nur habe ich noch nicht ganz geschnallt was Hank Storm mit der ganzen Geschichte zu tun hat.
      Freue mich auch schon sehr auf die Fortsetzung.

      Gruß
      Bundesagent
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      Ava&Banner by Schusy
      "Ist es wirklich immer das Richtige das Richtige zu tun?!?"[/CENTER]
    • :grin_still: Oooh, seid ihr schnell! :84:
      Vielen lieben Dank fürs Lesen, LeAnn, Federal Agent und Bundesagent. :d87470fe:
      *plustert sich stolz auf*
      ... naja... Hank Storm hat eigentlich... leider mit 24 gar nichts zu tun, außer dass spärlich um den Globus verteilte Lou Diamond Phillips Fans hoffen und bangen, dass er eine zweite Chance in der Serie bekommt ( vielleicht als Lakota... :biglove: *giggles* )
      Wollte zwar vorhin noch mehr deprimierten Jack schreiben, aber da hat sich Hank eingemischt und die Sache übernommen... , verflixt... . :rolleyes:
      Aber keine Sorge, Jack kommt schon wieder... irgendwann... :D
      * * * * *


      Müde taumelte er vorwärts, fand seinen Weg beinahe, ohne sich dessen bewusst zu sein.
      Ebensowenig bemerkte er den Schatten, der ihm folgte, die lange Gestalt, die sich geschmeidig von ihrem Platz erhoben hatte, noch ehe die Tür hinter ihm zugefallen war.

      Hank hatte sich nicht gefragt, welche Mächte ihn mit unsichtbarer Hand dazu gebracht hatten, sich an diesem Abend in eine für ihn ungewohnte Umgebung zu verirren. Er vertraute den Geistern, die ihn führten, hatte vor langer Zeit schon aufgegeben ihre Motivation ergründen zu wollen oder in Zweifel zu ziehen. Auf sie hörte er, ihren Stimmen folgte er bereits sein Leben lang, und obwohl es schwer gewesen war, manchmal zu schwer für einen einzelnen Mann, sie hatten ihn doch niemals allein gelassen, ihn niemals hilflos in einer Welt zurückgelassen, in der die meisten Menschen orientierungslos auf der Suche nach etwas waren, das unerreichbar direkt vor ihnen lag.
      Er wusste es, in dem Moment, in dem er ihn gesehen hatte, wusste, dass sein Leben eine neue Richtung, sein Schicksal eine neue Aufgabe für ihn bereit hielt.
      Im Grunde hatte er es schon lange gewusst, gespürt, seit Jahren gefühlt, dass etwas auf ihn wartete, dass es einen Grund für ihn geben musste, weiterzumachen, dass seine Bestimmung noch nicht erfüllt, sein Dasein mit Busters Tod nicht sinnlos geworden war.
      Es war der Schmerz des Verlustes gewesen, der ihn blind gemacht, die grenzenlose Trauer, die es ihm unmöglich gemacht hatte, nach vorne zu sehen, die ihn bereits zum zweiten Mal den Weg, den seine Ahnen für ihn ausgesucht hatten, hatte verlassen lassen.
      Wie hätte er seinem Volk auch weiter helfen könne, wenn in ihm alles leer und tot war, wenn er zusammen mit Buster in die andere Welt hätte übergehen sollen, wenn es ihnen bestimmt gewesen wäre, gemeinsam dem Geisterpferd gegenüberzutreten, das erschienen war, sie abzuholen, und doch ihn alleine zurückgelassen hatte.
      Er hatte es verflucht, hatte ihn verflucht für das, was er ihm angetan hatte, hatte sein Schicksal verflucht dafür, dass es ihn nicht hatte mit ihm gehen lassen.
      Und danach war er wieder geflohen. Zum zweiten Mal hatte er das Reservat verlassen. Doch dieses Mal war er eher zurückgekehrt, dieses Mal hatte er die Rufe vernommen, hatte gewusst, dass er gebraucht wurde, dass sein Volk nicht ohne Schamane sein konnte, sein durfte, dass seine Pflicht ihn dort festhielt.
      Und dann waren die Visionen gekommen, hatten ihn heimgesucht. Zunächst nur während der Zeremonien, wenn er auf der Suche nach ihnen gewesen war, und schließlich ungerufen, unvermittelt, in beängstigender Intensität.
      Zuerst hatte er geglaubt Buster zu sehen, geglaubt, dass sein Schmerz sich Wege suchte ihn zu verwirren.
      Doch dann, irgendwann war es ihm klar geworden, dass es nicht Buster war, nicht Buster sein konnte, dessen Eindrücke er empfing, dessen Leben, dessen Leid er in Augenblicken wahrnehmen konnte.
      Die Verluste, die er sehen konnte waren groß, vernichtend, zerstörerisch wie diejenigen, die Hank selbst erlitten hatte.
      Und doch hatte dieser Mann keinen Einblick in die Geisterwelt, kein Gefühl für die verborgenen Bewegungen, die sich um ihn herum abspielten.
      Er war ein Krieger, soviel hatte Hank erkennen können, ein Kämpfer ohne Furcht, jemand der sich nicht schonte, der alles gab, und der einen hohen Preis bezahlte, einen Preis, der nun zu hoch für ihn geworden war.
      Dass er ihm an diesem Tag begegnen würde, dass er ihm überhaupt einmal begegnen würde, hatte ihn überrascht, hatte ihn verunsichert.
      Für gewöhnlich, wenn er dem stummen Ruf folgte, galt es einem Stammesbruder aus Schwierigkeiten herauszuhelfen, besser noch, dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst zu solchen käme. Er hatte nicht erwartet ihn zu sehen, noch nicht einmal, als sein Blick über die leeren Plätze gewandert und an der vornübergebeugten Gestalt hängen geblieben war, die sich an ihrem Glas festgehalten hatte, das Gesicht verborgen, die blonden Haare stumpf und trocken im Dämmerlicht.
      Erst als er auf ein unausgesprochenes Kommando hin, den Kopf gehoben und mit verlorenen Augen, ohne es selbst zu bemerken, die Seinen gefangen hatte, erst dann hatte er ihn erkannt, hatte in ihm seine ‘Vergangenheit und seine Zukunft gesehen.

      * * * * *
    • Ich bin echt begeistert. :):
      Ich kenne zwar Hank Storm nicht, aber das macht überhaupt nichts aus, der Charakter ist auch so interessant.

      erst dann hatte er ihn erkannt, hatte in ihm seine ‘Vergangenheit und seine Zukunft gesehen.

      Klingt gut!

      Bin echt gespannt wie es weitergeht - und was er in seiner Zukunft gesehen hat.
    • Muss zugeben, dass ich Hank ebenfalls nicht kenne. Ist aber nicht schlimm, da du ihn toll beschrieben hast und ich Lou Diamond Phillips kenne.
      Bin schon wieder total gespannt wie es weiter geht! :daumen:


      Jack Bauer: Let´s get something straight, kid. The only reason you´re still concious is, because I don´t wanna carry you.
    • Ich habe zwar noch nie was von Renegades gehört, aber das ist im Prinzip irrelevant. Wie es aussieht ist den beiden ein ähnliches Schicksal widerfahren und nun haben sie sich "gefunden". Bin schon sehr gespannt wie es weitergeht.

      Gruß
      Bundesagent
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      Ava&Banner by Schusy
      "Ist es wirklich immer das Richtige das Richtige zu tun?!?"[/CENTER]
    • Dankeschön LeAnn und Federal Agent und Bundesagent :D! *hugs* :d87470fe: Ich komme bestimmt bald dazu mehr zu schreiben. :angel:

      Lou D.P. als Santos in Season 1, 24. :84:
      * * *
      Es gibt vmtl. nicht viele, die 'Renegades' zu schätzen wissen... ich meine, man muss sich zumindest erst einmal an Kiefers Schnurrbart gewöhnen... *lol*... und möglicherweise... getraue mich fast nicht es zu sagen, aber eventuell sind die Fanfictions dazu schöner als der Film. *lol*
      Nichtsdestotrotz ist es ein richtig süßer Buddy Movie. :biglove:
      Hank Storm begleitet die magische Lanze der Lakota nach Philadelphia und trifft dort auf den etwas aufsässigen Cop, Buster McHenry. Widrige Umstände zwingen sie dazu sich zusammenzuraufen. Mehr verrate ich lieber nicht. Auf jeden Fall hat der Film vor 10 / 15 Jahren eine kleine Fangemeinde zusammengeschmiedet, die wunderschöne Geschichten in Fanzines veröffentlicht und sich auch intensiv in diesem Zusammenhang mit der Kultur und Geschichte der Lakota auseinandergesetzt hat. Zufällig habe ich vor nicht allzu langer Zeit... bzw. auf der Pirsch nach allem rund um Kiefer natürlich... ein paar dieser Geschichten erhalten ( *Danke auch hier an den anonymen Spender* :d87470fe: ), und bin nun vollkommen süchtig. :biglove:

      Hank Storm lebt im Pine Ridge Reservat. Sein Vater war Schamane, und auch er hat Visionen und den Sinn für das Spirituelle. Da meine Geschichte zu Jack's Zeiten spielt, ist der Gute 20 Jahre älter und ich bin selbst schon sehr gespannt zu sehen, was ihm so mit Jack einfallen wird. :tongue2:
      * * * * *

      :rolleyes: anscheinend wird es reichlich düster...
      * * * * *


      Er zögerte, wartete, wusste, dass er dabei war sich einer Gefahr, einem Risiko entgegenzustellen, dem er nicht bereit und schon gar nicht willens war, sich auszusetzen, dass er nichts würde gewinnen können, dass dieser Mann nicht in der Lage wäre, ihm etwas von dem zurückzugeben, das er ihm nehmen würde.
      Sein Stolz und sein Selbsterhaltungstrieb ließen es zu, dass der Augenblick verstrich, dass sie sich trennten ohne ein Erkennen, ohne einen Moment innezuhalten, ließen zu, dass der andere sich nach sekundenlangem Erschauern, während dessen eine undefinierbare Ahnung den Raum erfüllte, wieder in sich zurückzog, sich abwandte und ihn verließ.
      Nur dass er es diesmal nicht zulassen würde. Dieses Mal würde er ihm folgen.
      Hank schloss die Augen und drängte die Furcht, die ihn ergreifen wollte zurück.
      Ein Band, und wenn es auch noch so zerbrechlich schien, war geknüpft worden und jeder Versuch sich loszureißen, würde zum Scheitern verurteilt sein.
      Die Nacht war dunkler als gewöhnlich, die Wolken hingen grau und tief, hinderten das Licht der Sterne daran den Boden zu erreichen, den tröstenden Schein der schmalen Sichel seine Schritte zu erhellen.
      Trotzdem kannte Hank die Richtung, wusste sie mit untrüglicher Sicherheit, ebenso wie er es gewusst hatte, wohin ihn sein Weg an diesem Abend führen würde.
      * * * * *

      Jack stolperte, taumelte, fand Halt an der Außenwand eines Schuppens, den er in der Finsternis kaum als Solchen wahrnehmen konnte.
      Er spürte das raue Holz, als er versuchte sich hochzuziehen, die Splitter, die in seine Handinnenflächen eindrangen, die Wunde an seiner Stirn, als der Versuch fehlschlug und er rutschte und fiel und sein Kopf in schmerzhaften Kontakt mit der Außenseite eines steinernen Auffangbeckens für Regenwasser geriet.
      Nun bemühte er sich nicht mehr aufzustehen oder den Schwindel zu überwinden. Es wäre vergebens gewesen.
      Dieser Ort... - er war entschlossen gewesen niemals wieder an diesen Ort zurückzukehren, sich niemals wieder in einer Lage wie dieser zu befinden - ...und doch hatte es ihn genau dorthin getrieben. .
      Jack presste die Lippen aufeinander und unterdrückte einen Schmerzenslaut. Sein Kopf hämmerte und er fühlte das Blut in einem kleinen Rinnsal die Schläfe hinunterlaufen.
      An diesem Ort war er gewesen, nicht in dieser Stadt, nicht in diesem Staat, und doch dort, wo er sich nun befand - am Boden, sich windend vor Schmerzen, seine Gedanken, seinen Willen, sein ganzes Sein erfüllt nur von dem einen brennenden Verlangen, von dem einen Wunsch, um den alles kreiste. Zu vergessen!
      Zitternde Finger tasteten nach den Utensilien, die ihm Erlösung bringen sollten. Mit schlafwandlerischer Sicherheit fanden sie ihren Weg in der Dunkelheit, vollführten Bewegungen mechanisch, geübt, tausendmal vorher geprobt, Tausende von Malen in Gedanken verrichtet.

      Es war zu spät, er war wieder dort gefangen, wo er sich vor Jahren schon verloren hatte. Dieser Platz, der ihm Frieden schenkte und ihm dafür alles andere nahm. Der ihn mit nichts zurückließ, als Scham, Verzweiflung, Verachtung seiner Selbst. Dieser Ort in sich selbst, der ihn dazu brachte sich zu hassen, in jenen Zeiten, wenn er sich zurückzog mit einer höflichen Entschuldigung auf den Lippen, um in der Abgeschiedenheit, die er finden konnte, das zu tun, was nötig war, um das Flattern seiner Hände, um die Sehnsucht in seinen Adern zu beruhigen,
      der Ort an dem er war, wenn er Auge in Auge mit Ramon das Heroin in seinen Körper pumpte, wenn er jeden Stolz, jede Selbstachtung verloren hatte, sobald der Wunsch nach der Droge begann ihn zu schütteln,
      wenn er, den ganzen Körper in Flammen stehend, mit seiner letzten Kraft vorwärts kroch, eine schmutzige Ecke in einer verborgenen Gasse findend, die ihm den nötigen Schutz bot, um sich den einen, den ersehnten Schuss zu setzen.
      Er war dort angekommen, wurde erneut mit offenen Armen empfangen.
      Sein Herz begann wieder zu schlagen, die tödliche Lähmung, die ihm in China zur Rettung und nun zur Qual geworden war, wich der Spannung, der Erwartung des Unvermeidlichen, der Verlockung des Erwachens.
      Er lebte, sein Körper glühte, sein Blut pulsierte, als er blind seine Vene ertastete, als die kalte Nadel endlich seine Haut durchbrach.
      Und wenn es das letzte Mal sein sollte... er wäre glücklich darüber.
      * * * * *

      Auch wenn Hank seine Anwesenheit nicht gespürt hätte, wäre es nicht schwierig gewesen ihn zu finden. Die schäbigen Gassen ließen nicht viele Möglichkeiten, ein Versteck zu suchen. Und dass er ein Versteck suchte, fühlte Hank in aller Deutlichkeit.
      Die Gebäude, oder das, was davon zu erkennen war, wirkten verlassen, verwahrlost. Keine Zeugnisse der Armut, wie er es aus dem Reservat kannte, sondern Beweise der Gedankenlosigkeit der Menschen, die einen Teil der Welt verstanden zu besiedeln, auszubeuten, und ihn dann zurückzulassen ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, die Verluste auszugleichen.
      Der Grund war steinig, ungepflegt, die Stadt ein Schatten dessen, was sie vor vielleicht fünfzig Jahren noch gewesen war.
      Hank bewegte sich lautlos vorwärts. Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, durchdrangen die Nacht, suchten und fanden ihr Ziel.

      Die Gestalt lehnte an der Wand eines Schuppens, die genügend Risse aufwies um ihre Stabilität in Frage zu stellen. Halb verborgen hinter einigen wahllos aufeinander gestapelten Brettern wäre sie nicht zu entdecken gewesen, hätte er nicht gewusst, wonach er zu suchen hatte.
      Seine scharfen Augen erkannten das beinahe unmerkliche Heben und Senken der schmalen Brust, wanderten über die betäubten Glieder und das Gesicht, das mit sanft geschlossenen Lidern und leicht verzerrten Zügen eine schmerzhafte Entspannung ausdrückte, eine Freiheit, die keine war.
      Die leere Spritze lag neben ihm, das gelockerte Gummiband war den Oberarm hinab gerutscht.
      Hank fuhr sich mit der rechten Hand durch das dunkle Haar und seufzte, bückte sich schließlich um die Gegenstände in aller Vorsicht einzusammeln, die Beweise, wozu die Gier nach etwas, das sich nicht erreichen ließ, nicht auf diese Art, die Gier nach einer Erfüllung, die es so nicht geben konnte, einen Menschen trieb.
      Beinahe mitleidig, fast behutsam fasste er den Anderen um den Oberkörper und hob ihn vom Boden hoch. Für einen Moment lang ließ er ihn in seinen Armen ruhen, spürte die lang vermisste Nähe eines Körpers an dem Seinen, die Wärme und den Atem eines anderen Menschen, eines Menschen, den eine Laune des Schicksals ihm so vertraut erschienen ließ, als hätte er mit ihm schon einmal sein Leben geteilt.
      Er schluckte den Klumpen, der dabei war sich in seinem Hals zu bilden, herunter, packte Jack entschlossen an der Hüfte, und warf sich den kleineren Mann entschlossen über die Schulter.
      Mit festen Schritten kehrte er dem Ort den Rücken, seine Entscheidung war gefallen.

      * * * * *

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von callisto ()

    • :daumen:Tolle Fortsetzung! :):
      Ich steh ja auf düstere Storys, also weiter so.
      Tja, der arme Jack. Was soll man da noch sagen? Wird es jemals ein Happy End geben. Im Moment sehe ich in Hank seine letzte Hoffnung. :(

      Will mehr. :]


      Jack Bauer: Let´s get something straight, kid. The only reason you´re still concious is, because I don´t wanna carry you.
    • :yay: Vielen lieben Dank fürs Lesen und Kommentieren, Federal Agent und LeAnn! *hugs*
      * * * * * :d87470fe:
      zum Glück haben Hank und Jack mir nun erzählt wie es weiter geht. :D
      * * * * *

      Und schnell noch ein Disclaimer:
      *räusper*
      Leider habe ich so gut wie keine Ahnung von Kultur und Lebensweise der amerikanischen Ureinwohner und der Lakota insbesondere. Es ist alles Phantasie, die mit den besten Absichten entwickelt wurde, und hoffentlich niemand in irgendeiner Weise vor den Kopf stößt. Sollte dies der Fall sein, entschuldige ich mich schon einmal im voraus in aller Form und Deutlichkeit.
      Meine spärlichen Informationen entnehme ich einigen Fanfictions und den Büchern ‘Lame Deer, Seeker of Visions’ und ‘Black Elk speaks’, die ich absolut und unbedingt weiterempfehlen kann.
      Hauptsächlich jedoch handelt es sich um wirre Gedanken meinerseits, die unerklärlicherweise auch nicht vor Geheimagenten zurückschrecken, die sich hoffentlich ebenfalls nicht beleidigt fühlen, obwohl ihr Leben mit Sicherheit doch genauso verläuft, wie ich es gewohnt bin darzustellen. *gg*

      :evillaugh:
      * * * * *


      Jack erwachte in der Dunkelheit. Jedoch nicht in der Dunkelheit, in der er es gewohnt war, seine Besinnung nach unruhigen, quälenden Träumen wiederzuerlangen. Sie bedeckte, umspielte ihn mit samtenen Bewegungen, spendete Trost, schenkte ihm den Anflug der Illusion geborgen zu sein. Zum ersten Mal seit langem fuhr er nicht in Schweiß gebadet hoch, mühsam den Drang bekämpfend sich zusammenzurollen, in unerklärlicher Panik zu der nächstliegenden Wand auf der Suche nach Schutz zu hasten, zu versuchen, ohne zu wissen warum, sich in eine Sicherheit zu bringen, von der er doch wusste, dass es sie nicht geben konnte.
      Die Stille um ihn herum atmete eine unerklärliche Ruhe, und hätte sein Herz nicht mit einem Mal so wild zu schlagen begonnen, sein Körper die ersten bekannten Anzeichen der Lebendigkeit aufgewiesen, er hätte vermutet diese Welt verlassen, es endlich hinter sich zu haben.
      Die Luft war süß, schwer von Düften, die er nicht kannte, das Gefühl des Friedens neu und exotisch.
      Doch sein Kopf begann zu schmerzen, seine Zunge erschien ihm dick und geschwollen und die Lähmung, die ihn erfasste, erfüllte ihn mit Schrecken.
      Außerdem gab es keinen Zweifel daran, dass er nicht allein war. Er spürte die Anwesenheit eines Menschen in unmissverständlicher Deutlichkeit.
      Verschwommene Erinnerungen holten ihn ein, steigerten seine Verwirrung.
      Eine nächtliche Fahrt, eisiger Wind, der durch die Ritzen des klappernden Fahrzeuges fegte, der ihn erschauern ließ. Das Gefühl zu fliegen, über die Erde zu rasen und dann wieder durchgeschüttelt zu werden auf einer Reise ohne Ziel.
      Er versuchte sich zu bewegen, doch sobald er Anstalten machte, seinen Kopf zu heben, überrollte ihn eine Welle der Übelkeit, Schwindel brachte ihn dazu mit einem Stöhnen zurückzusinken auf den weichen Grund. Seine Glieder waren schwer, die Fingerspitzen taub, und doch war es ihm als würde er auf der Erde liegen, als fühlte er sanftes Gras ein Bett für seinen Körper formen.
      Erinnerungen stiegen in ihm auf, Momente, die für sich standen, fremdartig anmuteten, als würden sie aus einer anderen Welt zu ihm transportiert.
      Träume, die ihn davongetragen, die Wirklichkeit in eine unbekannte Dimension verwandelt hatten.
      Leise Gesänge aus der Ferne, der dumpfe Rhythmus von Trommeln, die ihn hypnotisiert, eingeschläfert, beruhigt hatten, sobald die Schrecken ihre klammen Finger nach ihm ausgestreckt, der Schmerz ihn hatte um sich schlagen lassen.
      Rauch, der aufstieg, Gestalten annahm, betäubte und faszinierte, kühle Hände, die über seine geschundene Haut strichen, sie sanft massierten, mit dunklen Ölen salbten.
      Und inmitten der Augenblicke des Erwachens immer wieder die dunkle Stimme, eine fremde Sprache, die auf wundersame Weise die Dämonen vertrieb, die ihn umgaben.
      Erinnerungen an das Zurücksinken in einen Schlaf, so tief, so wundervoll, dass er sich wünschte, nie wieder aus seiner Dunkelheit heraustreten zu müssen, wechselten sich ab mit denen an starke Arme, die ihn stützten, ihn weit genug aufrichteten, um ihm einen Schluck eines bitteren Getränkes einzuflößen, seine trockenen Lippen zu befeuchten.
      Und dann das Gefühl des Fallens, des Aufgefangen und Gehalten Werdens, fremdartiger, ungewohnter, als alles andere, das er je erfahren hatte.
      Doch das war auch der Augenblick, in dem er bemerkte, dass er nackt war, hilflos gefangen im Unbekannten.
      Er fuhr hoch obwohl alles in ihm dagegen rebellierte, stützte sich schwer auf Arme, die unter ihm hinwegknicken wollten und focht mit der Kraft, die ihm noch geblieben war, gegen den Drang, sich in sein Schicksal zu ergeben, beinahe erstaunt über das Aufbäumen eines Willens, den er bereits für erstorben gehalten hatte.
      Ein wimmernder Laut entfuhr ihm, als das Blut, angetrieben von seiner Furcht, begann, schneller zu zirkulieren, als das Pochen und der Schwindel in seinen Schläfen beinahe unerträglich wurden.
      Die Anwesenheit, die er bereits gespürt hatte, nahm Gestalt an, die Schatten, die ihn umgaben , lösten sich auf und es gelang ihm, Konturen seiner Umgebung wahrzunehmen.
      Ein noch schwach glimmendes Feuer verhinderte seine Blindheit, ließ ihn den, mit geradem Rücken davor sitzenden, schlanken Mann erkennen.
      Jack wusste, dass der Mann ihn anstarrte, ihn in seinem Blick hielt, obwohl er keine Gesichtszüge ausmachen konnte. Er bewegte sich nicht, wie eine Statue verharrte er reglos, bis der regelmäßige Ton der Trommel in Jacks Bewusstsein eindrang.
      Er konnte nicht sagen, ob der eintönige Rhythmus bereits vorhanden gewesen war, bevor er ihn bemerkt hatte, oder ob seine Bewegungen ihn ausgelöst hatten.
      Doch der Laut alleine drang mit Macht durch seinen Körper, ließ ihn vibrieren, verjagte den plötzlichen Schrecken mit seinem Hall. Jack spürte, wie sich sein Herzschlag dem Rhythmus anpasste, wie die hypnotische Wirkung einsetzte.
      Langsam gaben seine Arme nach, und er sank wieder zurück auf den Grund, der ihn sanft empfing und forttrug in erneute Bewusstlosigkeit.
      * * * * *

      Wie viel Zeit vergangen war, konnte Jack nicht sagen, doch sein nächstes Erwachen verlief anders.
      Er blinzelte ein paar Mal in die Leere, bevor sein verschwommener Blick aufklarte.
      Und nicht nur das, auch die Stille wich den Geräuschen des Tages.
      Jack setzte sich vorsichtig auf und blickte sich um.
      Er befand sich allein in einem Raum, dessen Ausstattung ungewohnt erschien, jedoch nicht unangenehm oder bedrückend.
      Spärlich, spartanisch, einer längst vergangenen Zeit entsprungen und gleichzeitig verwirrend in ihrer Mischung aus Einfachheit und unpassend modernen Utensilien.
      Grobe Blockhauswände umrahmten wenige Möbelstücke, die auf natürlichem Grund standen.
      Eine erkaltete Feuerstelle befand sich nicht weit von einem kleinen Regal, in dem sorgsam mehrere Bücher, offensichtlich ausnahmslos Taschenbücher, angeordnet waren. Ein niedriger Tisch trug tönerne Schalen und Töpfe, neben Dosenmahlzeiten und einem verstaubten und ausgesprochen veralteten Funkgerät.
      Tierfelle hingen vereinzelt an den Wänden, schützten den Raum vor Wind und Wetter, dazwischen unregelmäßig verteilt, getrocknete Kräuter und Wurzeln.
      Jack war versucht sich zu zwicken, so unwirklich erschien ihm die Szenerie.
      Was um alles in der Welt hätte er hier verloren?
      Er wandte sich um, nicht ohne die abrupte Bewegung zu bereuen, die einen Schauer seine Wirbelsäule hinab laufen ließ, doch das Ergebnis blieb unverändert.
      Er war alleine, und offensichtlich war es Tag geworden.
      Licht drang durch Ritzen und Ecken, schuf eine dämmrig wundersame Atmosphäre.
      Vogelgezwitscher rundete den Eindruck auf beinahe lächerliche Weise ab.
      Jack, nicht willens abzuwarten und die Dinge auf sich zukommen zu sehen, rappelte sich auf, erstaunt darüber wie leicht er sich auf einmal fühlte. Schmerz und Unwohlsein verflüchtigten sich mit den Bewegungen und er schwankte nur noch leicht, sobald er eine aufrechte Haltung eingenommen hatte. Die erhaltene Perspektive erlaubte ihm einen besseren Überblick, erst jetzt bemerkte er den kalten Rauch, geschwängert mit dem Duft verbrannter Gräser, der in den Ecken haften geblieben war.
      Mühsam stolperte er in Richtung des Ausganges, schob das Fell, mit dem dieser verhängt war, beiseite und schlüpfte hinaus ins Freie.
      Das plötzliche Sonnenlicht durchstach seine Augen, seine Hände fuhren empor, um sie vor den beißenden Blitzen zu schützen.
      Ein Hauch frischen Windes ließ ihn frösteln, und erinnerte ihn an seinen unbekleideten Zustand.
      Jacks nackte Füße sanken in weiches Gras, als er einen Schritt vorwärts in die Helligkeit trat, blinzelte und sich zwang die Lider einen Spalt zu öffnen.
      Die Sonne stand tief, es schien auf den Abend zuzugehen, doch sie leuchtete in einer Intensität, die ihresgleichen suchte. Kräftige Farben kündeten vom nahenden Herbst, bereicherten die Erde mit reichen, satten Tönen.
      Die Hütte war eingebettet in einer leichten Senkung, umgeben von wildwachsender Wiese, die in den angrenzenden Wald überging. Insekten tanzten in der Luft, vollführten Sprünge und Flugkünste, als wollten sie Jack ihre Lebendigkeit vor Augen führen.
      Er rieb seine Augen, obwohl sie sich langsam an das Licht gewöhnten, und sog tief den Atem ein, spürte wie der Sauerstoff ihn belebte.
      Beinahe wäre ihm ein Lächeln entschlüpft, das erste dieser Art seit langem, allerdings nur beinahe.
      “Verdammt.” Der Laut erklang ungewohnt in dieser Umgebung, die offensichtlich nicht gewöhnt war menschliche Flüche zu empfangen. Dennoch wiederholte er das Wort und trat einen weiteren Schritt nach vorne.
      Es tat gut sich selbst sprechen zu hören, sich zu versichern, dass er sich seines Platzes in der Realität bewusst war, trotz allem, das passiert sein mochte.

      Eine Gestalt trat unter den schattigen Baumriesen hervor, die Hände angefüllt mit merkwürdig geformten Steinen.
      Auch er schien nackt zu sein, doch beim Näherkommen erkannte Jack die kurzen Hosen, die die langen Beine des Mannes zumindest teilweise bedeckten. Zum ersten Mal hatte er Gelegenheit seine merkwürdige Begegnung genauer in Augenschein zu nehmen.
      Der Mann zeigte keine Überraschung, auch sonst keinerlei Emotionen, als er ihn dort, vor der Hütte, stehen sah. Ein leichtes Anheben der Augenbrauen war das einzige, das Jack ausmachen konnte, seine Aufmerksamkeit schien auf alles andere, mit Ausnahme des ungefragten Besuchers gerichtet zu sein.
      Jack verschränkte die Arme vor seinem Körper, bemühte sich seiner äußeren Erscheinung, und der Verlegenheit, die sie mit sich brachte, keinerlei Bedeutung zuzumessen, als er herausfordernd den Blick des Anderen suchte.
      Er konnte nicht sagen woher, doch es war ihm klar, mehr als dass, er war sich sicher, dass sie die einzigen Menschen im Umkreis mehrere Meilen sein mussten. Doch das machte die Situation nur um so rätselhafter für ihn.
      Der Dunkelhaarige wich seinem Blick aus, konzentriert auf seine Handlungen, die er mit beinahe unerträglicher Ruhe vollführte. Er arrangierte die Steine in einem Kreis in einigem Abstand von der Hütte, ohne sich von Jack stören zu lassen, ohne ihm auch nur den geringsten Teil seines Interesses zu bekunden.
      Seine Bewegungen waren elegant, flüssig, er handelte geschickt, in einem lange geübten, tausendmal praktizierten Rhythmus.
      Erst jetzt bemerkte Jack das glänzende, glatte Haar, länger als er es gewohnt war an einem Mann zu sehen, den bläulichen Schimmer, der es umgab, die bronzene Haut, die fein geschnittenen Gesichtszüge.
      Unerwartet tauchte ein Bild vor ihm auf, das Bild eines Mannes, der einen Schmuck aus Knochen und Perlen auf seiner Brust trug, hoch auf einem Pferd sitzend, das wild davon galoppierte, die langen Haare ungebändigt um sein Gesicht flatternd.
      Jack blinzelte, schüttelte seinen Kopf in Verwirrung. Das Bild war so real, dass er vermeinte Kriegsgeschrei und Trommeln in der Ferne zu hören. Er kniff die Augen zusammen, und taumelte erschrocken beiseite, als der Größere sich mit einem Mal erhob und auf ihn zukam, ihn jedoch geflissentlich ignorierte, beinahe zur Seite stieß, als er sich anschickte die Hütte zu betreten.
      “Was ist hier eigentlich los”, stieß Jack atemlos hervor, während er dem anderen Mann hastig folgte. “Und wo, zum Teufel, sind meine Sachen... ich... .”
      Er verstummte, als der Dunkelhaarige herumwirbelte, ihn zum ersten Mal wahrzunehmen schien. Zornig glitzernde Augen musterten ihn stumm, während er einen schmalen, langen Finger vor seinen Lippen platzierte.
      Jacks Blick weitete sich in plötzlichem Erkennen. Diese Augen hatte er schon einmal gesehen, vielleicht schon öfter, dessen war er sich sicher.
      In der Bar... natürlich, bevor er..., dort hatten sie ihn schon einmal bedrängt, ihn schon einmal irritiert auf dieselbe Art, auf die sie es jetzt wieder taten.
      “Ich... ich...”, stotterte er, erntete jedoch sofort ein knappes, ärgerliches Kopfschütteln.
      Sichtlich widerwillig antwortete der Andere ihm, seine Stimme rau und gleichzeitig sanft, als würde sie etwas zurückhalten, dessen sich der Sprecher selbst nicht vollständig bewusst war.
      “Nicht sprechen”, waren die Worte, und nach einer Weile fügte er noch hinzu: “Es ist die Zeit zu schweigen”, als spürte er die Notwendigkeit einer weiteren Erklärung.
      Ohne sich dessen bewusst zu sein, nickte Jack, gab Zeichen des Verstehens und der Zustimmung, obwohl er sich fragte, wohin das Ganze führen würde.
      Sein Blick traf den des anderen, und ohne ein weiteres Wort wandte dieser sich um und zog einen ledernen Rucksack unter einem Haufen Decken hervor, aus dessen Tiefen er eine zerknüllte, graue Jogginghose zog und hinter sich warf.
      Jack fing sie erstaunt, aber auch dankbar auf. Nicht nur, dass ihm seine Blöße unangenehm war, die Kälte begann auch unvermeidlich in ihm empor zu kriechen.
      Aus den Augenwinkeln musterte er den Ort, der offensichtlich sein Schlaflager gewesen war, schüttelte den Kopf über das merkwürdig steinzeitliche Arrangement.
      Er sollte sich umdrehen und gehen, was konnte es ihm bringen sich auf neue Rätsel einzulassen.
      Am Ende würde doch alles wieder so sein wie zuvor, er wäre allein und ohne Hoffnung, sein Gewissen schwer von den Dingen, die er hätte tun sollen, die er hätte lassen müssen.
      * * * * *


      Flink schlüpfte Jack in die viel zu großen, viel zu weiten Beinkleider und zog den Bund enger zusammen.
      Es war wirklich Zeit zu gehen, dieser Situation ein Ende zu bereiten, und zwar sobald als möglich.
      Hank ging mit geschmeidigen Schritten zur Feuerstelle, dann in die Hocke, und begann, ohne sich noch einmal nach Jack umzusehen, ein weiteres Feuer zu entfachen.
      Auch diese Nacht würde nicht leicht werden, soviel war ihm klar.
      Die Hilfestellung, die er geben konnte, war sinnvoll und wichtig, doch die Hauptarbeit musste der Mann selbst verrichten.
      Oft genug war er bei den Kämpfen gegen Drogen verschiedenster Art dabei gewesen, oft genug hatte seine Mühe auf lange Sicht nichts bewirken können.
      Er seufzte. Morgen würde er zurückkehren müssen, daran gab es nichts zu rütteln. Bis dahin musste Jack in der Lage sein, seiner Realität wieder zu begegnen.
      Jack Bauer’ Hank rollte mit den Augen.
      Der Ausweis des Mannes hatte nicht viel verraten, außer, dass sein Besitzer alle Anstrengungen unternommen hatte, ihn zu zerstören.
      Die Ränder wirkten angeschwärzt, ungleichmäßig, als hätte er sie ins Feuer gehalten und im letzten Moment wieder zurückgezogen, als hätte ihn doch im letzten Moment noch etwas davon abgehalten seine Existenz auszulöschen.
      Es war nicht so, als wäre Hank überrascht gewesen. Das Leben musste Jack übel mitgespielt haben, das war unverkennbar. Die Verletzungen, die er, allein äußerlich, davongetragen hatte, waren anders als alle, die er bisher gesehen hatte, zeugten von einer Brutalität, die Ihresgleichen suchte.
      Narben verschiedenster Größe, manche alt, manche neu, bedeckten weite Teile seines Körpers, malten Linien des Schreckens auf die blasse Haut.
      Obwohl Hank vertraut war mit der Fähigkeit und dem Willen des Menschen die Auswüchse blinder Wut und hemmungsloser Gewalt zu ertragen, hatte ihn der Anblick des Körpers, der sich ihm beim Entkleiden langsam enthüllte, die Luft scharf einsaugen lassen.
      Das waren die Spuren jahrelanger Folter, die vor nichts zurückgeschreckt hatte, um ihr Ziel zu erreichen, Zeugnisse lebenslanger Misshandlungen, unaussprechlichen Leides.
      Überbleibsel von Verwundungen aus der Jugend wechselten sich mit mehr als zehn Jahre alten Wunden ab, wurden gekrönt von frischen Narben, nicht älter als Wochen.
      Anscheinend kannte dieser Mann, über den Hank bis jetzt nicht mehr wusste, als seinen Namen kein anderes Leben als eines voller Gewalt, dessen Spuren seine Haut übersäten.
      In seinem Rücken spürte Hank den Wunsch des Anderen, sich umzudrehen und die Hütte zu verlassen, ohne Richtung oder Ziel loszugehen, wie es seine Gewohnheit sein durfte. Ohne darauf einzugehen, fuhr er in seinen Bewegungen fort, bereitete die Nacht vor.
      * * * * *

      Jack zögerte. Er wusste nicht warum, konnte nicht erklären, noch nicht einmal vor sich selbst, was ihn festhielt. Die Frage seiner Sachen war ungelöst, ebenso wie die Frage nach den Intentionen des schweigsamen Mannes, der seine Anwesenheit entschieden ignorierte, als würde es keine Rolle spielen, wie Jacks zukünftige Entscheidungen ausfallen würden. Anscheinend stand es ihm frei zu gehen und zu kommen nach Belieben, solange er sich an Regeln hielt.
      Davon abgesehen, dass Jack keine Ahnung davon hatte, um welche Regeln es sich handeln konnte, an welchem Ort er sich befand, konnte er sich eines merkwürdigen, schleichenden Gefühles nicht mehr erwehren, das unaufhaltsam in ihm hochkroch. Am ehesten vergleichbar eines Déjà-vu Erlebnisses aus längst vergangenen Tagen oder Zeiten, das ihn Schritt für Schritt einholte.
      Die Handvoll Gräser oder Kräuter, die der Dunkelhaarige mit einigen gemurmelten Worten ins Feuer warf, und die nicht nur Rauch, sondern auch einen intensiven Geruch verbreiteten, die offenbar akribisch bemessenen und unzählige Male vollführten Bewegungen, ob es sich um das Zerkleinern von Wurzeln, oder das Aufsetzen von Wasser handelte, wirkten weniger geheimnisvoll auf ihn, als er hätte vermuten können.
      Obwohl Jack sein Leben fern von dieser Welt verbracht hatte, kam es ihm beinahe vor, als habe er das alles schon einmal erlebt.
      Irritiert wandte er sich ab, um eine bunt bestickte Decke zu studieren, die offenbar Szenen eines Kampfes zeigte. Gerade wollte er sich erstaunt zu dem unerwartet aufblitzenden Feuerzeug hinunter bücken, dessen Silber unerwartet aufblitzte, das auf merkwürdige Art in diese Einrichtung passte, und wurde einmal mehr aus seinen Gedanken gerissen, als der Andere urplötzlich vor ihm stand, und ihm eine Tasse mit dampfendem Inhalt entgegenhielt.
      Jack zögerte wieder. Die schwarzen Augen trafen die Seinen und er schluckte nervös. Der Größere stand vor ihm, unbeweglich, ohne ihn zu etwas zu drängen, ihn zu beeinflussen.
      Der Augenblick dehnte sich ins Endlose, bevor Jack, ohne zu wissen, warum er es tat, das Gefäß ergriff und an seine Lippen führte.
      Er erinnerte sich an die Bitterkeit, an das betäubende Gefühl, das dem ersten Schluck folgte, die Ermüdung, die seine Glieder erfasste, sobald er das dunkle, heiße Getränk seine Kehle hinab strömen ließ.
      Ob die Erinnerung ihn aus der vergangenen Nacht, oder aus einer Zeit, deren er sich nicht bewusst war, einholte, verlor ihre Bedeutung, als er der Erschöpfung nachgab, es zuließ, dass die Knie unter ihm weich wurden, und er vermutlich gestürzt wäre, hätte der Größere ihn nicht aufgefangen, und näher zum Feuer geschafft. Seine Sicht löste sich im Nebel auf, und sobald er spüren konnte, dass der Boden ihn sanft empfing, ihn sicher tragen würde, begrüßte er die Dunkelheit, die ihn umhüllte.
      Hank seufzte zufrieden und dankte den Geistern, die ihn führten für die Leichtigkeit, mit der Jack auf den bitteren Tee, den er ihm einflößte, ansprach, und für die Bereitwilligkeit, mit der er das Spiel mitzuspielen schien. Obwohl geschwächt und erschöpft, war ihm dennoch bewusst, dass dieser Mann ein gefährlicher Gegner sein konnte, sollte er einen Grund für einen Kampf sehen. Seine Kräuter wirkten besser, als er sich vorzustellen vermocht hatte auf den ausgemergelten Körper, schickten ihm zumindest vorübergehend den heilsamen Schlaf, den er brauchte.
      Hank warf noch eine Handvoll Gräser in das Feuer, setzte sich, und stimmte einen leisen Gesang an. Die Trommel schwieg noch. Sie würde er später brauchen, wenn Jacks Ruhe gestört, er, von Krämpfen geschüttelt, dem Entzug die Stirn würde bieten müssen.
      Abwesend betrachtete er den schmalen Mann, dessen Gesicht nun beinahe entspannt wirkte, ausgenommen der Momente, in denen es verräterisch zuckte, als würden schmerzhafte Erinnerungen einen tiefen Traum stören.
      Er sah nicht aus wie Buster, war unverkennbar älter, das Gesicht gezeichnet von Falten und Linien, auch wenn es im Schlaf fast einen jugendlichen, unschuldigen Eindruck machte. Das Haar war kürzer, die Färbung eine Andere.
      Busters Haar war länger gewesen, feiner, in weichen Wellen hatte es seine Züge umspielt, die auch, nachdem sie bereits zehn Jahre zusammen gewesen waren, noch Spuren seines kindlichen Wesens aufwiesen.
      Jack zeigte nichts davon, sein Gesicht bewies Härte, Kontrolle in jedem vorstellbaren Sinne, eine Fähigkeit, die Buster abgegangen war.
      Busters Haar war hell gewesen, blond. Wie goldene Spinnennetze hatte es das Licht der Sonne gefangen und behalten, egal welche Dunkelheit ihr Leben auch eingeholt haben mochte.
      Hank hatte es geliebt damit zu spielen, seine Finger durch die glänzenden Strähnen gleiten zu lassen, während er ihn geküsst hatte.
      Und Buster war fasziniert von dem langen, dunklen Haar des Partners gewesen, hatte ihn ermutigt es wachsen zu lassen, darauf bestanden, die in Silber gefasste Adlerfeder, den Lohn für seinen Erfolg in der Wiederbeschaffung der heiligen Lanze, selbst und neidlos in der schwarzen Pracht zu befestigen, obwohl er ebenso Anteil an der Rettung des Heiligtums gehabt, ebenso viel dabei geopfert hatte.
      Es hatte ihm nichts ausgemacht, zumindest hatte er es nicht gezeigt, dass er für im Leben der Lakota immer nur die zweite Geige neben Hank gespielt hatte, dass er, trotz seiner Tätigkeit als Reservat-Cop und den Kämpfen, die er Tag für Tag für das Volk seines Freundes, gegen seinen eigenen Berufstand ausübte, nicht auf die Art angesehen war, die ihm zugestanden hätte.
      Hank hatte vermutet, dass der Grund dafür in seiner Vergangenheit lag, dass sein Leben als Cop, dessen Vater als Verräter verschrien, dessen Mentor mit Verbrechern gemeinsame Sache gemacht, und der als homosexuell geoutet worden war, ihm eine gewisse Technik in der Begegnung mit menschlichen Vorurteilen zu eigen gemacht hatte.
      Und auch wenn er keiner der Iihren hatte werden können, so hatten sie ihn dennoch akzeptiert, war er zu einem Mitglied ihrer Gemeinschaft, mit offenen Armen in ihre Familie aufgenommen worden, sein Verhältnis mit Hank in der Kultur der Lakota keine Schande, sondern eine Ehre und ein Zeichen der Stärke gewesen.

      Hank schüttelte seinen Kopf um seine Gedanken von den Schatten der Vergangenheit zu befreien, konzentrierte sich wieder auf den seltsamen Gast, den er aufgenommen hatte, den ein unvorhersehbares Schicksal ihn gezwungen hatte, aufzunehmen.
      Sein Haar besaß nichts von Busters Zauber, es war kurz und farblos. Im Licht des Feuers entwickelte es einen rötlichen Schimmer, doch war es durchzogen von grauen Fäden, stumpf und dünn, Beweis einer Existenz, die lange unter Mangel gelitten hatte.
      Die Wimpern waren auffallend lang, dennoch beinahe unsichtbar aufgrund ihrer Helligkeit.
      Hanks Blick wanderte hinunter und blieb and der Hand hängen, die lose an seiner Seite lag und deren Verunstaltung ihm bereits vorher aufgefallen war. In ihrer Funktion schien sie nicht beeinträchtigt, doch die Schäden an ihrer Haut ließen sie verkrüppelt wirken, und Hank war es nicht entgangen, dass Jack, ob bewusst oder unbewusst, diese Hand bemüht war, vor den Blicken anderer zu verbergen, sei es in dem Dämmerlicht einer Bar, oder allein mit einem Fremden am hellichten Tag.

      Hank zuckte mit den Schultern. Es hatte keinen Sinn zu spekulieren. Er konnte nichts tun, als abwarten und auf den Willen der Geister Rücksicht nehmen, Ausschau zu halten, und versuchen ihren Weg weiterzugehen.
      In Gedanken öffnete er eine Dose Suppe, schenkte sich etwas Wasser ein. Die Nacht konnte noch lang werden, und morgen würden sie bereits in aller Frühe aufbrechen.
      * * * * *

      Jack träumte. Er rannte ohne vorwärts zu kommen in einer endlosen Hölle. Er schrie vor Schrecken und Schmerz, als ihn die Kugeln trafen, sein Körper in einer Explosion zerfetzt wurde. Feuer zerfraß seine Glieder, langsam und unaufhaltsam, und seine Hände, mit denen er es löschen wollte, erschienen als taube Stümpfe, unfähig einer Handlung.
      Und inmitten des Feuers die Gesichter. Lachende Gesichter der Menschen, die er geglaubt hatte , getötet zu haben, von denen er geglaubt hatte, dass sie es verdient hatten. Sie grinsten und kicherten, lachten ihn aus. Sie wussten es besser, hatten es immer besser als er gewusst. Dass seine Anstrengungen vergeblich waren, sein Glauben und seine Ziele auf Illusionen beruhte.
      Er schrie vor Wut, und dann vor Angst, als sich andere Gesichter ihm zuwandten, Gesichter voller Leid und Pein, Gesichter, die ihm stumme Vorwürfe entgegen schleuderten. Teri, Michelle, Tony... . Er versuchte die Augen zu schließen, sich vor ihnen zu verstecken, doch sie streckten ihre glühenden Arme nach ihm aus, verbrannten sein Fleisch, rissen sein Innerstes heraus. Ein blutiger Schleier bedeckte seine Sicht und er würgte scheinbar ohne aufhören zu können, erbrach sich auch noch, als nichts mehr vorhanden war, dass sich hätte aus seinem gequälten Körper verabschieden können.
      Endlich hörten die Krämpfe auf, und Jack spürte, dass er weinte, dass ihm unkontrolliert die Flüssigkeit aus den Augen quoll, dass sich etwas in ihm löste.
      Kühle Hände strichen über seinen Rücken, seine Brust, verteilten lindernde Substanzen, die das Feuer zu löschen schienen, die seine Haut vor dem Verbrennen bewahrte.
      Arme hielten ihn, wenn er sich in Schmerzen und Übelkeit krümmte, feuchte Umschläge bargen sein glühendes Gesicht, schenkten ihm Augenblicke der Ruhe.
      Und immer war da diese dunkle Stimme, die sanfte Beschwörungen murmelte, in unverständlichen Worten einfache, eintönige Melodien sang, die ihn einlullten, ihn wieder und wieder in kurze Momente des Schlafes schaukelten, bevor ihn etwas Undefinierbares, Schmerzliches wieder bewog mit einem Gefühl des Entsetzens hochzufahren.
      Er hielt sich an ihr fest wie an einem Anker, schöpfte aus ihrer Kraft, die ihm nicht erlaubte aufzugeben.
      Die Trommeln klangen von ferne, ihr Rhythmus umfloss ihn, gab ihm die Ruhe, die Stabilität, die er sich ersehnte.
      * * * * *

      “Trink das.” Bronzefarbene, schlanke Finger reichten ihm das Getränk, noch ehe er seine Augen geöffnet hatte.
      Das helle Licht des Morgens drang in die Hütte, vertrieb die Dämonen der Nacht.
      Jack schnupperte an seiner Tasse. Es war nicht das bittere Gebräu, dass ihm wieder und wieder eingeflößt worden war, auch wenn es ähnlich ungewohnt duftete.
      Er holte tief Luft und nahm einen großen Schluck. Sein Mund verzog sich automatisch mit dem herben Nachgeschmack, und doch setzte beinahe unmittelbar eine belebende Wirkung ein.
      Verwundert, sich nach und nach seiner Lage bewusst werdend, begegnete er dem strengen, forschenden Blick des Anderen, konnte es nicht verhindern, dass seine Mundwinkel begannen zu zucken. Die Komik, die er seiner Situation abgewinnen konnte, verwirrte ihn zusätzlich, zwang ihn ihr Ausdruck zu verleihen.
      “Wir sprechen jetzt?”, fragte er, seine Stimme in ihrem Krächzen kaum wiedererkennend. Er räusperte sich, und nahm entschlossen einen weiteren Schluck, bevor er die Tasse absetzte. Die weite Jogginghose, die er trug kam ihm unpassender vor, denn je zuvor, und er blickte wieder fragend auf den Anderen.
      Dieser nickte, offenbar nicht gewillt mehr zu sagen, als unbedingt notwendig, und richtete sich aus seiner kauernden Lage auf.
      Jack folgte seinem Beispiel, versuchte den Schwindel, der ihn erfasste, nicht sichtbar werden zu lassen, indem er sich nach unten bückte, und einen Moment so verharrte, vorgebend das Trinkgefäß ergreifen zu wollen.
      Hanks Hände stützten ihn erneut, als er sich zum zweiten Mal erhob, und blitzartig kehrten Bilder der Nacht zurück, und der Hilfe, die diese Hände ihm gewährt hatten.
      “Wer... “, stammelte er, mühsam sein Gleichgewicht wiedererlangend.
      “Hank”, erwiderte die vertraute, dunkle Stimme. “Mach dir keine Sorgen, Jack. Die Geister sind auf deiner Seite.”
      * * * * *

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von callisto ()

    • Wieder eine tolle Fortsetzung. :daumen:
      Manchmal echt verwirrend, wenn man den Film nicht kennt. Aber du beschreibst das so gut, dass man es doch irgendwie versteht.

      Wie immer, hoffe ich auf mehr!


      Jack Bauer: Let´s get something straight, kid. The only reason you´re still concious is, because I don´t wanna carry you.
    • Lieben Dank, Federal Agent! :d87470fe: Ich freue mich sehr, dass du mitliest, obwohl Jack noch ein wenig kurz kommt. *seufz* Bekomme Hank und Buster einfach nicht aus dem Kopf. :rolleyes:
      Aber sofern ich weiter zum Schreiben komme, wird sich hoffentlich noch ein wenig 24 Action einschleichen. :evillaugh:

      Zudem entdecke ich zunehmend gravierende Unterschiede zwischen Buster und Jack, was definitiv für Kiefers Schauspielkunst spricht.
      Die beiden haben wirklich so gut wie gar nichts gemeinsam, angefangen mit der Tatsache, dass Jack reiten kann... *kicher*... also mein persönlicher Fan-Fiction-Jack.
      Aber der "Echte" kann das sicher auch, schließlich kann er alles. :biglove:
      Liebe Grüße! :haemmern:
      * * * * *


      Verwirrt, immer noch eine leichte Übelkeit bekämpfend, ließ Jack es zu, nach draußen geführt zu werden. Die kühle Morgenluft jagte ihm Schauer über den Rücken und dankbar akzeptierte er den übergroßen Sweater, den Hank ihm überwarf.
      Langsam gewöhnten sich seine aus unerfindlichen Gründen bereits wieder tränenden Augen an die aus tiefem Schlummer erwachende Welt, bemerkten den Nebel, der hartnäckig zwischen den dunklen Bäumen festzuhängen schien, auch wenn sich der graue Schleier hauptsächlich in seinen Augen befand, die mit der plötzlichen Grelle des Lichtes im Clinch lagen.
      Vögel sangen mit einer Inbrunst, als könnten sie den schwindenden Sommer daran hindern der kälteren Jahreszeit zu weichen, und der Himmel strahlte klarer, als Jack ihn jemals zuvor gesehen hatte.
      Kaum hatte er bemerkt, dass Hank ihn losgelassen hatte, als er das ebenso ungewohnte wie vertraute Schnauben von Pferden vernahm.
      Verwundert drehte er sich um, immer noch fröstelnd in der morgendlichen Frische.
      Wie ein Bild aus einer anderen Zeit erschien ihm der Anblick, den er weniger als alles andere erwartet hatte, der hochgewachsene, dunkelhaarige Mann in ausgewaschener Jeans Kleidung, der wie selbstverständlich zwei braune Pferde auf ihn zu führte.
      Jack lächelte, registrierte mit Erstaunen, wie sich seine Gesichtszüge auf diese beinahe vergessene Art veränderten, lockerten, nahe daran ihre antrainierte Verbissenheit zu verlieren.
      Es war schön die beiden Tiere zu beobachten, die Eleganz und Leichtigkeit, mit der sie über die Wiese schritten, die Lässigkeit, mit der sie ihre schlanken Köpfe hoben, ihre langen Mähnen schüttelten.
      Kastanienbraune Augen bemerkten ihn, schnaubten hochmütig in dem natürlichen Wissen ihrer Überlegenheit.
      Keine Seelenqual würde sie an den Rand eines Abgrundes bringen, keine leeren Worte sie dazu zwingen können ihresgleichen das anzutun, was der Mensch seinen Artgenossen tagtäglich zumutete.
      Die Schönheit dieser Wesen ergriff Jack, machte ihn stumm in ihrer Anwesenheit, die ebenso, wie die Zeit, die er hier verbrachte, unwirklich und fern von allem, das er kannte, in unerklärlichen Bahnen verlief.
      Eines der Pferde, das Hellere, trug einen Sattel und Zaumzeug, während das andere mit seinem Schweif den bloßen Rücken von umher summenden Fliegen befreite.
      Anscheinend waren sie von Anfang an dabei gewesen, nicht weit von der Hütte weidend, auf sich selbst gestellt und frei, wie er es ihnen wünschen würde.
      Hank führte das gesattelte Tier auf Jack zu, der wartete bis es seine Witterung aufgenommen hatte, bevor er seine Hand hob, um es vorsichtig zu streicheln. Das Pferd schnaubte und schien zufrieden mit der Liebkosung bevor es sich abwandte und zu dem anderen gesellte, das hocherhobenen Hauptes über das Gras schritt, lautloser Gang, erstickt von der federnden Nachgiebigkeit der Erde.
      Hank sah ihn forschend an. Jack vermeinte beinahe etwas wie Unruhe oder Skepsis in seinem Blick zu entdecken, bevor der Größere zu sprechen begann, sich kurz fasste, wie es anscheinend seine Art war, eine Tugend, die Jack sehr willkommen war.

      “Du bist jetzt bereit zurückzugehen. Deshalb werden wir aufbrechen.”
      Jack nickte, auch wenn er sich fragte, ob er die Zeichen richtig deutete.
      “Ich... wir...” Er stockte, deutete unsicher auf die schönen Tiere.
      “Sie werden uns tragen,” antwortete Hank auf die unausgesprochene Frage, und schwang sich in demselben Atemzug auf den Rücken des ungesattelten, dunkelbraunen Pferdes, das bereits aufgeregt tänzelte, offensichtlich einem Lauf nicht abgeneigt.
      “Aber wie... ?” ‘Wie sind wir hierher gekommen’, wollte Jack hinzufügen, seinem Gefühl für Raum und Zeit ebenso wie seiner Erinnerung misstrauend.
      Er hatte automatisch angenommen einen Wagen vorzufinden, war es nicht gewohnt eine andere, weniger moderne Art der Fortbewegung überhaupt in Betracht zu ziehen.
      Welche Zeiträume mochten seinem Gedächtnis entfallen sein, vielleicht hatte er hier schon länger verbracht, als er bis jetzt gedacht hatte.
      Er runzelte die Stirn. Konnte es sein, dass seine Erinnerung ihn trog, weitaus größere Lücken aufwies, als ihm in dieser Umgebung möglich geworden waren, zu erkennen?
      Er versuchte sich zu konzentrieren, die Vergangenheit zurückzurufen, doch es erreichten ihn nur verschwommene Bilder, die ebenso seinen wilden Träumen entstammen könnten. Kurze Eindrücke einer nächtlichen Welt, die an ihm vorbeiflog. Er selbst über den Hals eines warmen Tieres gebeugt, sich daran festklammernd, obwohl er sicher gehalten wurde, obwohl ihn starke Hände an seinem Platz hielten, ihn fest umklammerten, den ständigen Bewegungen, dem unkontrollierbaren Auf-und-Ab Contra boten, die ihm gewaltsam drohten ihn abzuschütteln.

      Hanks schwarze Augen glitzerten wie Kohlen, fast schelmisch, als würde er seine Gedanken erraten, und Jack schob die Rätsel beiseite und ergriff die baumelnden Zügel des Braunen, der sich von ihm nicht im mindesten beeindrucken ließ.
      Es war lange her, wirklich sehr lange, dass er in einem Sattel gesessen hatte, und Jack bekämpfte einen kurzen Moment des Zögerns, bevor er sich hinauf schwang.
      Er hatte wirklich vergessen, wie anders er sich auf dem Rücken eines Pferdes gefühlt hatte, wie losgelöst von den Fesseln der Schwerkraft, eins mit einem anderen Lebewesen, dem er vertraute, so wie es ihm vertraute, das ihn sicher trug und dafür nichts erwartete, als das, was er zu geben bereit war.
      Jack hatte nicht gemerkt, dass er den Atem angehalten hatte. Tief holte er Luft, genoss die veränderte Perspektive, den fremdartigen Rahmen, in dem er sich wiedergefunden hatte. Und wenn es alles ein Traum war, eine Illusion, es wäre ihm egal, es würde ihn nicht im Mindesten kümmern.
      Er fing Hanks Blick, der beinahe erstaunt wirkte, als hätte er nicht erwartet zu sehen, was er gesehen hatte. Der Ausdruck wich einem Zwinkern, das nur für den Bruchteil einer Sekunde aufblitzte, bevor er mit der Zunge schnalzte und sein Pferd, ohne noch einmal Richtung Hütte zu sehen, mit den Knien vorwärts dirigierte, in eine Richtung, in der das sie umgebende Gehölz lichter zu werden schien. Jacks Pferd folgte dem anderen automatisch, trug seine Last geduldig vorwärts, den seichten Abhang hinauf.
      Jack drehte sich im Sattel und warf einen letzten Blick auf das verlassene Gebäude, von dem er jetzt erst bemerkte, dass es wie in einer Senke nistete, eingebettet und geschützt vor Wind und Wetter, und trotzdem aus der Entfernung alt und kaputt wirkend, als wären seine Tage bereits gezählt.
      Und dennoch schien es ihm wertvoll, kostbarer als jedes hochtechnisierte Luxus Apartement, das seine Besitzer mit nichts als kühler Perfektion und Raffinesse zu empfangen gewohnt war.
      Abrupt wandte er sich ab und richtete den Blick nach vorne, auf ungewohnte Weise neugierig auf das Bild, das sich ihm enthüllen würde, sollten sie diesen Wald verlassen.
      * * * * *

      Und dies geschah schneller, als er vermutet hatte. Die Bäume wichen zurück, öffneten den Blick für eine atemberaubende Landschaft, die im Morgenlicht erstrahlte. Winzige Tautröpfchen, die in Zweigen und Gräsern wie vergessen wirkten, funkelten wie Sterne, verzauberten diesen Ort, verliehen ihm einen Hauch von Magie.
      Die Stille wurde lediglich von den Geräuschen der Pferde unterbrochen, dem gleichmäßigen, sanften Schnauben, dem Knarzen des weichen Sattelleders und den Vögeln, die ihnen aus der Sicherheit der Wälder ihren Abschied zu riefen.
      Vor ihnen erstreckte sich eine endlose Ebene, eine Wiese, die wellengleich in Hügeln und Tälern verlief, sich in die Ferne ausdehnte, reich an den unterschiedlichsten Farben und Schattierungen.
      Der Himmel war klar, von einem Farbton, den Jack aus Los Angeles nicht kannte, und den er auch sonst noch nirgendwo in dieser Intensität wahrgenommen hatte.
      Er erinnerte sich, passte sich den Bewegungen des Pferdes an, fiel mit seinem Körper ein, in den wiegenden Rhythmus, den das Tier vorgab.
      Wann er zum letzten Mal geritten war, war ihm entfallen, es musste in einem anderen Leben gewesen sein, bevor er... . Damals, mit Kim vielleicht... .
      Der Gedanke versetzte ihm einen Stich und er drängte ihn zurück. Es hatte keinen Sinn an sie zu denken, sie war ohne ihn besser dran, er hatte es nicht glauben wollen, aber die Tatsachen sprachen für sich. Alle waren sie ohne ihn besser dran, erhielten wenigstens die Chance, die sie verdienten.
      Er presste die Lippen zusammen und schob den Schmerz tief in sein Inneres, vergrub ihn dort, wo er sich in Momenten der Schwäche aus der Tiefe empor wühlen und solange mit seinen knochigen Klauen würgen würde, bis Jack bereit sein würde aufzugeben und ihm wieder den Sieg einzuräumen.
      * * * * *

      Hank ließ Cheyenne in leichtem Trab laufen. Es gab keinen Grund zur Eile. Im Gegenteil, alles lief erheblich einfacher, als er zu hoffen gewagt hatte.
      Er grinste, während seine Augen den Horizont absuchten. Im Grunde hatte er schon befürchtet wieder gezwungen zu sein mit dem Anderen ein Pferd zu teilen. Nicht nur, dass er Cheyenne die Doppelbelastung nicht zumuten wollte, der Weg war doch ein wenig zu lang für einen solchen Ritt, auch wenn der Hinweg mit seiner bewusstlosen Last, erstaunlich problemlos vonstatten gegangen war.
      Sein Lächeln vertiefte sich mit der Erinnerung an Buster und dessen erste Versuche ein Pferd zu besteigen, und letztendlich zu reiten.
      Lautstark und wortreich, wie es seine Art gewesen war, hatte er sich von Anfang an über alles beschwert, den harten Rücken, den wackeligen Sitz, die Schmerzen, die ein Tag im Sattel mit sich bringen konnte.
      Und doch hatte er all das mitgemacht, hatte gelernt sich auf dem Pferd zu halten, es vor und nach dem Ritt zu versorgen, hatte sich ohne Zögern in jede Art von Farmarbeit gekniet.
      Es war zu leise geworden, zu still, ohne seine ständigen Kommentare, ohne einen Menschen, der es gewohnt war sein Herz auf der Zunge zu tragen, der nicht, so wie Hank selbst, seine Gedanken und Worte für sich behielt, auch wenn sie wie ein schwerer Stein auf seiner Seele lasteten.
      Er hatte nicht bemerkt, dass Jack aufgeholt hatte, dass sie beinahe nebeneinander ritten, in einstimmigem Schweigen.
      Und doch spürte er, dass der Andere etwas sagen wollte, dass ihn eine Frage, vermutlich unzählige Fragen, beschäftigten.
      Ermunternd sah er ihn an, bereit seine Neugierde zu befriedigen, sei es auch nur, um von den eigenen Gedanken abgelenkt zu werden.
    • Hey,

      Hab deine Fanfiction gerade entdeckt und gelesen, der Titel hat mich neugierig gemacht.

      Normalerweise lese ich keine Crossover Geschichten, aber deine war einfach zu interessant um aufzuhören zu lesen! :):

      Ich hab auch deinen Schreibstil sehr gerne, die Sätze die du schreibst wirken teilweise fast "poetisch" (ich hoffe du weißt was ich meine).

      Ja, dass Jack reiten kann ist gar nicht so abwegig...es gibt ja fast nicht was er nicht kann *gg* :D (Vieleicht war er in seiner Ausbildungszeit mal bei der berittenen Polizei :D :haemmern:)


      Bin gespannt wie es weitergeht!


      Lieben Gruß,

      Agentin
      We're running out of time...
    • Da schließe ich mich Agentin doch gleich an.
      Tolle Arbeit, callisto! :daumen:

      Ganz große Klasse. Zwar ein komischer Gedanke, dass Jack reiten kann, aber wirklich nicht abwegig. :D

      Wann geht´s weiter? :D :]


      Jack Bauer: Let´s get something straight, kid. The only reason you´re still concious is, because I don´t wanna carry you.
    • Vielen lieben Dank, Agentin und Federal Agent! :]
      Ich freue mich unheimlich, dass es euch gefällt. :yay:
      Ja, Jack ist einfach ein Allround Talent, kein Zweifel. Aber irgendwie musste er den armen Hank nun mal beeindrucken. *lol*
      ... ein klein wenig hab ich noch... :D
      * * * * *

      Eine Ewigkeit schien verstrichen zu sein, bevor Jack sich überwinden konnte die einträchtige Stille zu stören.
      Er wandte seine Aufmerksamkeit ab von der Perfektion, in der sich der Hals des Tieres vor ihm hob und senkte, dem beruhigenden Wiegen und der Lebendigkeit, die ihm mit jeder erneuten Anspannung und schließlich Entspannung der Muskeln bewusst wurde.
      “Wo sind wir?”
      Der Anflug eines Zwinkerns in den dunklen Augen des Anderen bewies ihm, dass er die Frage nicht nur erwartet, sondern ihn auch schon geraume Zeit beobachtet haben musste, geahnt, dass er früher oder später das komfortable Schweigen brechen würde, es sich vielleicht sogar gewünscht hatte.
      “Pine Ridge.” Die Antwort fiel knapp aus, überließ Jack weiteren Spekulationen.
      Es hatte seinen Grund gehabt, dass er sich in den Norden der USA aufgemacht hatte, Kalifornien, Südamerika bargen zu viele schreckliche Geheimnisse, denen er sich weigern würde, noch einmal gegenüber zu treten. Es war nur logisch gewesen sich in eine andere Richtung zu begeben.
      Nur hatte es nichts geändert. Was er mit sich trug, wog zu schwer, egal wie weit er laufen würde, es wäre immer bereits vor ihm am Ziel, um ihn zu erwarten, zu ergreifen, weiter zu quälen, bis er es nicht mehr ertragen würde.
      Und nun fand er sich an einem Ort, der ebenso qualvolle Erinnerungen atmete, der eine der zahllosen unvergessenen Stätten war, die Zeugnis des Unverständnisses und der Grausamkeit gewesen war, die Siedler den amerikanischen Ureinwohnern entgegengebracht hatten. Natürlich erinnerte er sich an ‘Wounded Knee’, an Geschichten von Kampf, Heldentum und unverzeihlichen Massenmorden an Kindern und Frauen, deren Verbrechen lediglich darin bestanden hatte, diesen Teil der Welt als Erste bevölkert zu haben.
      Und er erinnerte sich an Bildern aus den Reservaten, aktuelle Bilder von Armut und Chancenlosigkeit. Das Land der Freiheit hatte viele Gesichter, und Pine Ridge war eines davon.

      “Und was...”
      Jack verstummte. Ein Blick Hanks ließ ihn den Rest der Frage verschlucken. Und wieder fragte Jack sich, ob es möglich sein konnte, dass dieser geheimnisvolle Mann fähig war seine Gedanken intuitiv zu erfassen. Auf eine seltsame, seit langem nicht mehr gespürte Art, begann Jack sich verlegen zu fühlen. Und mehr als alles andere erstaunte es ihn, dass er zu Gefühlen dieser Art noch in der Lage war.
      Er fühlte sich unsicher mit einem Mal, schämte sich, nicht mehr der Herr seiner Erinnerungen zu sein.
      Die Gedächtnislücken, denen er bisher wenig Beachtung geschenkt hatte, klafften auf wie tiefe Abgründe. Warum nur, wann und wie hatte Hank ihn in diese Hütte geschafft. Was konnte er von ihm wollen?
      Jack wusste, dass er seine Fragen nur zu stellen brauchte, und doch hielt ihn etwas davon ab, die Worte erstarben noch in seinem Hals, bevor sie seine Lippen erreichen konnten.
      Irgendetwas war an diesem Mann, das er nicht einordnen konnte, eine Aura des Stolzes umgab ihn, dessen Grundlage unbekannt und fremd anmutete.
      Ohne das Schweigen noch einmal zu brechen, ritten sie stumm weiter, jeder für sich, unfähig die Barriere zu überwinden, die zwischen ihnen stand.
      Die Sonne stieg hoch an den Himmel, die Landschaft flimmerte in der aufkommenden Hitze, ließ sie zunehmend trocken und ausgedörrt erscheinen, ähnlich der Kehle Jacks, die begann sich nach einem Schluck Wasser zu sehnen. Seine Zunge glich den gelblichen, schlafen Grashalmen über die die Hufen der Pferde achtlos hinwegtraten, und sein Hals schmerzte bei jedem Schluck.
      Erinnerungen an die Gefangenschaft holten ihn ein, und an die endlosen Tage, in denen nur sein Adrenalinausstoß es ihm ermöglicht hatte, körperliche Schmerzen und unmenschliche Anstrengungen zu ertragen und zu funktionieren, wie es von ihm erwartet worden war. Ohne den Druck dieser Art spürte er die Anforderungen allzu deutlich, denen sein ausgemergelter Körper ausgesetzt war, fehlte ihm der Willen die Schwäche zu bekämpfen.
      Erschöpft hing er im Sattel, überließ Hank wieder die Führungsposition, entschlossen einfach abzuwarten.

      Endlich tauchten in der Ferne vereinzelt Gebäude auf, staubige Farmhäuser, deren schlechter Zustand erst beim Näherkommen zu erkennen war, dann aber unverkennbar ins Auge stach.
      Sie machten einen Bogen um die Ansammlung von kleinen Häusern, die sich an einer Stelle konzentrierten und strebten schließlich einem abgelegenen Gebäude zu, das außerhalb der Sichtweite der anderen Häuser einsam stand.
      Beim Näherkommen erschien es Jack ein wenig größer und er bemerkte, die beiden brüchigen Holzgebäude im Hintergrund, die offenbar als Stallungen oder Scheunen dienten.
      Ein Seufzer der Erleichterung entfuhr Jack, als es keinen Zweifel mehr daran gab, dass es sich um das Ziel ihrer Reise handelte.
      Auch ihre Pferde lebten auf, mit der Aussicht auf Wasser, und darauf ihre menschlichen Lasten loszuwerden. In einigem Abstand vermeinte Jack sogar noch weitere Pferde beim Grasen zu entdecken.
      Die Tiere trugen sie vorwärts, schnaubten freudig, als sie ihre heimatlichen Stallungen erreicht hatten. Hank glitt von Cheyennes Rücken in einer fließenden Bewegung, die Jack nicht einmal versuchen konnte zu imitieren. Stöhnend hob er sich aus dem Sattel und rutschte mehr oder weniger hinab bei dem Versuch abzusteigen, bis er auf dem immer noch schwankenden Erdboden anlangte. Kaum sein Gleichgewicht wiedergefunden, tätschelte er dankbar den Kopf des Pferdes, das ihn neugierig beschnupperte, auf der Suche nach einer Belohnung.
      Entschuldigend schüttelte Jack den Kopf und verstärkte seine Liebkosungen, um dem Tier wenigstens ein wenig Gutes zu tun.
      Aus den Augenwinkeln beobachtete er Hank, der Cheyenne mit ruhigen und sicheren Bewegungen versorgte, bevor er sich Jacks Pferd zuwandte. Flink entfernte er den schweren Sattel und reichte ihn stumm weiter an Jack, ein Wink mit dem Kopf in Richtung des Stalles das einzige Zeichen dafür, was von ihm erwartet wurde.
      * * *

      Der Stallgeruch überwältigte Jack mit Macht, sobald er die lediglich angelehnte Tür mit seinen Füßen aufgestoßen, und seine Last in das düstere Innere des Gebäudes geschafft hatte. Zu seiner Linken entdeckte er Halfter, Zaumzeug und weitere Utensilien, derer die Pferdepflege bedurfte, sorgsam an der Wand aufgereiht.
      Aufatmend setzte er den Sattel ab, und ließ seinen Blick durch die leeren Räume wandern.
      Er blinzelte zweimal, doch die Bilder, die ihn einholten, wollten nicht verschwinden.
      Das Heulen des Windes, das Prasseln des Regens, der drohte den Stall hinfort zu schwemmen,
      die aufgeregt tänzelnden Pferde, unfähig der Angst, die Blitz und Donner in ihnen auslösten, Herr zu werden, erfüllten seine Sinne.
      Und inmitten des Chaos, aufrecht zwischen ihnen, entdeckter er Hank, der beruhigend auf sie einsprach, dem es immer wieder gelang, ihnen den größten Schrecken zu nehmen.
      Jack legte den Kopf in den Nacken und blickte zur Decke hinauf. Die Eindrücke verschwanden mit dem Anblick der Fliegen, die zwischen den morschen Balken summten, der Streifen Sonnenlichtes, das die vorangegangene Illusion Lügen strafte.
      Jack kehrte zurück ins Freie, nahm nur am Rande wahr, wie sich die Tür hinter ihm mit einem vernehmlichen Quietschen schloss.
      Hank hatte sich in der Zwischenzeit um die Tiere gekümmert und schickte sie gerade mit einem freundlichen Klaps zu ihren wartenden Artgenossen, einer Aufforderung, der sie ohne zu Zögern nachkamen.
      Jack sah ihnen nach, wie sie freudig fortgaloppierten, erlöst von den aufgezwungenen Pflichten der verdienten Freiheit entgegen strebten.
      Als er sich umwandte, befand sich Hank bereits auf dem Weg zum Haus, und wieder schien es ihn keineswegs zu interessieren, ob Jack bereit war ihm zu folgen.
      Dennoch folgte er ihm, ein wenig aus Trotz heraus, ein wenig aus Neugierde, aber hauptsächlich, weil er zu müde war, etwas anderes zu tun.
      Geübte Augen nahmen Kleinigkeiten auf, zogen Schlüsse in Sekundenschnelle. Reifenspuren auf dem Hof, ein zerknitterter Ball, dessen Luft schon längst entwichen war, ein hölzerner Roller und eine in die sandige Erde vor dem Haus gegrabene Murmelbahn, widersprachen der Stille, die das Gebäude umgab, der momentanen Verlassenheit, die es ausstrahlte.
      Hank ließ die Tür offen stehen, doch sparte sich die Mühe eines einladenden Wortes. Dass der Mann nicht viel redete war mittlerweile keine Überraschung mehr, und Jack akzeptierte seine Schweigsamkeit als angenehmes Geschenk.
      Er trat ein, und sah sich um. Auch hier die Spuren eines Familienlebens, doch ohne die dazugehörigen Familienmitglieder.
      Die Ausstattung war einfach und schlicht, dem Zahn der Zeit wurde mit Kreativität versucht Einhalt zu gebieten. Risse in Wänden und Möbeln waren geflickt oder von bunten Wandteppichen bedeckt, überall die Spuren von mehrfachen Reparaturen erkennbar.
      In einer großen Küche stand noch Geschirr zum Trocknen, und Töpfe und Pfannen hingen über einem altmodischen, rostigen Ofen.
      Fotos zierten vereinzelt die Wände und Jack ging näher um sie zu betrachten. Spielende Kinder, freundlich lächelnde Pärchen. Zwei junge Familien schienen sich diesen Platz zu teilen, beide Väter mit langen, schwarzen Haaren, wahlweise offen oder zusammengebunden im Rücken getragen, die Mütter kleiner, zarter, aber mit ähnlicher Haartracht. Auf manchen Bildern hatte sich eine ältere, grauhaarige Frau zu ihnen gesellt, deren Gesicht von Milde und friedfertiger Gelassenheit überstrahlt wurde. Nur ein einziges Photo zeigte Hank, der sich offenbar widerstrebend, und nur im Hintergrund zur Verfügung gestellt hatte.
      Jack fuhr zusammen, als eine Stimme ihn unerwartet aus seinen Betrachtungen riss.
      “Komm mit,” sprach Hank kurz, bevor er sich auf dem Treppenabsatz umdrehte, und die knarzenden Stufen hinaufstieg.
      Einen Blick riskierte Jack noch in den Bereich, der offenbar als Wohnzimmer diente, und mit Fernseher und Radio, kaum in diese Umgebung zu passen schien.
      Die Räume waren niedrig, aber dennoch vermutete Jack, dass es sich um eines der wohlhabenderen Wohnplätze der Gegend handelte. Der Flur im oberen Stockwerk war dunkel, aber Jack bemerkte trotzdem Hanks Widerstreben, als sie sich fortbewegten und schließlich vor einer der schmalen Türen innehielten. Offenbar gezwungen sich selbst zu überwinden, stieß er das Hindernis mit einem plötzlichen Ruck beiseite und durchquerte mit langen, entschlossenen Schritten den Raum, um die Jalousien des einzigen Fensters zu öffnen und einen Streifen Lichtes hineinzulassen.
      “Du schläfst hier.”
      Jack sah ihn forschend an, verwundert über die plötzliche Heiserkeit in seiner Stimme, wollte gerade zu einer Frage ansetzen, als Hank den Raum beinahe eilig wieder verließ.
      “Lass etwas Luft hinein,” setzte er, bereits im Gehen, hinzu. “Es... es ist schon eine Weile her.”
      Und bevor Jack noch etwas sagen konnte, bevor er imstande war seiner Unsicherheit Ausdruck zu verleihen, war der größere Mann bereits verschwunden, die Treppe hinunter, als könnte er es nicht ertragen in diesem Zimmer zu sein.
      Jack spürte mit einem Mal wieder wie erschöpft er war, wie Beine und Arme von dem Ritt schmerzten, und wie er sich danach sehnte sich einfach auszustrecken und einzuschlafen. Aber das Ganze erschien ihm zu mysteriös, zu fragwürdig, als, dass er nicht wenigstens den Versuch machen sollte, ein paar Antworten zu erhalten.
      Er lief denselben Weg, den Hank zuvor genommen hatte, betätigte den widerstrebenden Riegel, und öffnete das Fenster, das mit der Bewegung ein hässliches Geräusch von sich gab, als wäre es schon seit Jahren nicht mehr derart beansprucht worden.
      Die abgestandene Luft weigerte sich vorerst den Raum zu verlassen, ebenso wie die warme Brise außerhalb des Fensters, vor demselben zu tanzen schien, ohne Eintritt zu fordern.
      Jack drehte sich seufzend um und begann den Raum zu studieren, gab sein Bemühen jedoch schnell wieder auf, als er die Erschöpfung spürte, die wieder begann, ihn in ihren Bann zu ziehen, ihm das hölzerne Bett, über das nur eine bunt bestickte Decke geworfen war, als Ziel seiner Sehnsüchte zu offenbaren.
      Er rieb sich Augen und Stirn, entschlossen mehr zu erfahren, wenigstens ansatzweise abzuwägen, ob er überhaupt hier bleiben sollte.

      Müde stützte er sich beim Verlassen des Zimmers am Türstock ab, und stolperte dann mit wackeligen Beinen die ausgetretenen Stufen hinab.
      Schon vom Treppenabsatz aus erkannte er, dass Hank, vertieft in verschieden farbige Papiere, die er in mehreren Stapeln vor sich geordnet hatte, dabei war, eine nicht unerhebliche Menge an Post durchzugehen, wobei es sich offensichtlich in erster Linie um Rechnungen oder Mahnungen handelte.
      Die Stirn gerunzelt beachtete der Lakota das mittlerweile brodelnde Teewasser genauso wenig, wie die plötzliche Gesellschaft. Nur die leichte Anspannung des Nackens zeigte Jack, dass er durchaus von beidem Kenntnis genommen hatte.
      “Du solltest dich ausruhen,” erklang die dunkle Stimme unerwartet, gerade als Jack näher trat, in der Absicht, sich um das undefinierbare Gemisch zu kümmern, das dazu bestimmt war, einer der bitteren Getränke zu werden, ohne die es sich anscheinend in diesem Land nicht zurechtkommen ließ.
      Er hielt in der Bewegung inne, betrachtete den Dampf, der aus dem Kessel emporstieg, seltsame Formen annahm, bevor er sich in Nichts auflöste.
      “Wo sind die anderen?”
      Jack beschloss, direkt zur Sache zu kommen.
      “Verwandtenbesuch.”
      Jack räusperte sich, nahm sich vor, das Gespräch in Gang zu halten, solange es möglich war.
      “Aber noch nicht lange?”
      Hank seufzte resigniert. Sorgsam legte er die Blätter, die er gerade studiert hatte, beiseite, und erhob sich von dem hölzernen Stuhl.
      Zu Jacks Erleichterung nahm er vorerst das Wasser vom Feuer und goss es in die bauchige Kanne. Ein eigenartiger Geruch, beinahe wie Lakritze, erfüllte die Küche umgehend, und entfaltete seine entspannende Wirkung.
      “Nein”, antwortete der Dunkelhaarige endlich. In seinen Mundwinkeln zuckte es verräterisch, als wüsste er genau, wie sehr es Jack gestört haben musste, eine unerledigte Aufgabe vor Augen zu haben.
      “Sie haben das Reservat heute verlassen.”
      “Und... .” Jack zögerte, unsicher, was er fragen sollte.
      “Und solange muss jemand für die Farm da sein.”
      “Und wenn, wenn du nicht auf der Farm bist, wo... was ist es dann, das... .”
      Endlich drehte sich Hank vollständig um und sah Jack ins Gesicht. Der verschmitzte Ausdruck erreichte seine Augen.
      “Ich bin immer dort, wo ich gebraucht werde.”
      “Aha.” Jack wusste für einen Moment nicht mehr, was er sagen sollte. Das Einfachste würde es wohl sein, das Thema zu wechseln.
      Er stützte sich auf die Tischkante, fühlte das raue Holz unter seinen Fingern.
      “Und... und wo leben eure Verwandten?”
      Möglich, dass er sich täuschte, und doch glaubt Jack zu bemerken, wie sich des anderen Gesicht wieder verdunkelte, um eine Nuance nur, und doch für das geübte Auge unverkennbar.
      “Philadelphia.” Die Antwort kam leise, beinahe widerstrebend.
      Jack konnte nicht anders, als nachzuhaken.
      “Und wieso ohne..., ich meine,... sind es nicht auch deine Verwandten?”
      Hank wandte sich ab, ordnete geistesabwesend die Papiere.
      “Doch.” Seine Stimme erklang wieder fest und bestimmt. “Das ist meine Familie. Aber ich kann nicht nach Philadelphia zurück. Niemals wieder.”
      Jacks Mund öffnete und schloss sich wieder. Er spürte, die unsichtbare Grenze erreicht zu haben, den Moment, in dem das Thema fallen gelassen werden sollte.
      Vielleicht, möglicherweise, war der Mann auf der Flucht, gesucht von den Behörden, gezwungen sich zu verstecken. Es war weder so, als könnte er ihm dies zum Vorwurf machen, noch hatte er das Recht, in diesen Bereich einzudringen. Der Kampf um die Gleichberechtigung amerikanischer Ureinwohner zog immer noch, und immer wieder von Neuem, seine Kreise, und er war der Letzte, der jemandem eine Gesetzesübertretung vorwerfen konnte, der an die unbedingte Bedeutung seiner Ziele glaubte.
      Auf jeden Fall würde es den versteckten Zufluchtsort erklären, den sie gerade verlassen hatten.
      Jack zuckte unbemerkt mit den Schultern. Wie auch immer, im Grunde ging es ihn nichts an, ebensowenig wie Hank sein Leben etwas anginge.
      Schließlich ließ er sich auf die morsche Bank sinken, die zwischen Tisch und Wand aufgestellt war, und stützte den Kopf in die Hände.
      Hank musterte ihn aufmerksam.
      “Du wirst dich ausruhen müssen”, sagte er schließlich. “Ich habe getan, was mir bis jetzt möglich war, aber das Gift sitzt nicht nur in deinem Körper.”
      Er schob sich den Stuhl zurecht und nahm Jack gegenüber Platz. Seine Augen bohrten sich in die helleren des anderen, bis Jack den Blick senkte.
      “Deine Seele ist vergiftet, schon seit langem, und du wirst viel Kraft brauchen, solltest du versuchen wollen, sie heilen zu lassen.”
      “Ich...” Jack wand sich, unangenehm berührt, auf seinem Platz. “Ich glaube nicht, dass ich das so sehen würde...”, stammelte er, auf eigenartige Weise zurückversetzt in seine Vergangenheit, inmitten all jener Momente, in denen er sich verletzlich, klein gefühlt hatte, in denen ihm seine Stärke und seine Willenskraft nicht mehr weitergeholfen hatten.
      “Es ist anders...”
      Hank sah ihn weiter stumm an. Jack fühlte den dunklen Blick des Schamanen auf sich ruhen, und seltsamerweise wich die Scham, die Unsicherheit Sekunde für Sekunde, Minute für Minute, je länger diese Augen ihn gefangen hielten.
      Zögernd sah er wieder auf und sein unruhiger, suchender Blick traf auf eine Kraft, die nicht nur in den Gesichtszügen seines Gegenübers ruhten, sondern sein ganzes Wesen überstrahlten. Jack war gebannt und verwirrt zugleich.
      Soweit es ihn anging, existierten keine spirituellen Mächte, wie auch immer sie aussehen mochten, hatten niemals existiert. Natürlich rief er Gott an, hatte ihn in den verzweifelsten Stunden seines Lebens wieder und wieder angefleht ihm zu helfen, oder ihn zumindest die Gnade der Erlösung zu gewähren. Es war menschlich, so zu reagieren, aber kein Grund, sich auf lange Sicht etwas vorzumachen.
      Der dunkelhaarige Mann, der mit ihm sprach, mochte eine natürliche Intuition besitzen und mit Worten umzugehen wissen, er konnte ihm jedoch nicht weismachen, dass er sich auf Dinge verstünde, wie die tiefen Wunden einer Seele zu schließen, die zu lange ohne Hilfe gewesen war, davon abgesehen, dass niemand dazu in der Lage war, dass es nichts, denn eine hübsche Illusion sein mochte, sich derartigen Tagträumen hinzugeben.
      Jack schluckte vernehmlich, und löste seinen Blick wieder.
      “Wenn..., wenn es keine Rolle spielt, dann sollte ich vielleicht wirklich etwas schlafen. Ich... bin das Reiten nicht gewohnt.”
      Hank nickte, verbarg die Belustigung, die erneut in ihm hochstieg.
      Was auch immer das Schicksal mit ihnen im Sinn haben mochte, es war doch eine willkommene Abwechslung, jemanden hier zu haben, jemanden, der verstockt und ungläubig war, der sich nicht alles sagen ließ, einen anderen Ursprung hatte, anderen Regeln folgte. Eine Herausforderung, etwas Neues, jemand, der ihn vielleicht überraschen würde, der ihn vielleicht etwas lehren würde, das er noch nicht imstande war, sich auch nur vorzustellen.
      Sein Blick folgte der schmalen Gestalt, die aufrechten Rückens den Raum verließ, und er konnte nicht umhin, den Stolz anzuerkennen, der den Mann zwang, sich den Grad seiner physischen Erschöpfung nicht anmerken zu lassen, der es offenbar gewohnt war, sich zusammenzureißen, bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit zu gehen, und darüber hinaus.
      Und Hank fand sich wieder allein mit der Frage, was für ein Leben es sein mochte, das Jack ein derartiges Verhalten antrainiert, aufgezwungen hatte, ein Verhalten, das ihm nicht fremd war, das er nur zu gut kannte, das jedoch keineswegs der Norm entsprach, und keineswegs einem verlorenen Junkie ähnlich sah, den eine unerklärte Pein dazu trieb, ewiges Vergessen zu suchen.

      * * * * * *

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    • Da habe ich ja wohl eine ganze Reihe Updates verpasst.

      Der dunkelhaarige Mann, der mit ihm sprach, mochte eine natürliche Intuition besitzen und mit Worten umzugehen wissen, er konnte ihm jedoch nicht weismachen, dass er sich auf Dinge verstünde, wie die tiefen Wunden einer Seele zu schließen, die zu lange ohne Hilfe gewesen war,


      Ich bin gespannt, ob es Hank gelingt, Jack zu helfen – und ob Jack sich überhaupt helfen lassen will, sieht ja eigentlich nicht so aus.

      Mehr?
    • :knuddel:
      Uiii... Leser! :greenball: Vielen lieben Dank, LeAnn und Federal Agent fürs Kommentieren. :thank you:

      Tja, mal sehen, ob Hank noch mehr zu sagen bekommt, :rolleyes:, ist eben mehr der große, schweigsame Typ. *lol*
      Noch ein wenig handlungsarmes, dafür stimmungsvolles und belangloses Drumherum :skeptisch:, aber dann wird es furchtbar, denn irgendwann plane ich zur Action zu gelangen... :evillaugh:... und das ist so gar nicht meins... ;( , nicht, dass mich das abhalten würde....
      :D
      * * * * *

      Es war dunkel, als er erwachte.
      Starker Durst quälte ihn und seine Eingeweide schmerzten. Einen Moment brauchte Jack, bis er sich zurechtgefunden hatte, wieder in der Lage war, das harte Bett, die fremde Umgebung einzuordnen. Als er versuchte sich zu erheben, durchfuhr ihn eine Welle der Übelkeit, und er stöhnte verhalten.
      Schwer atmend verharrte er, rückwärts auf seine Ellbogen gestützt, und bekämpfte den Würgereflex, der sich rhythmisch aufbäumte. Als er glaubte, nicht mehr in der Lage zu sein, ihn aufhalten zu können, lehnte er sich zur Seite in dem vergeblichen Bemühen seine Stätte zu verlassen und war nahe daran aus dem Bett zu kippen.
      Doch er stürzte nicht.
      Wieder waren da starke Hände, um ihn zu halten, um ihn zu stützen. Hände, die ihm ein Gefäß reichten, in das er sich erbrach, die sein feuchtes Haar zur Seite strichen, die seinen Kopf in ihrem Griff bewahrten und seine Lippen säuberten, nachdem sich die fruchtlosen Würgeanfälle endlich beruhigt hatten.
      Hank konnte nicht weit gewesen sein. Entweder er hatte den Anfall erwartet, oder war zufällig in der Nähe gewesen. Wie es auch gewesen sein mochte, Jack war mehr als dankbar. Sein ganzer Körper zitterte, und er glaubte nicht, dass er den Weg in ein Bad bewältigt hätte, geschweige denn, dass er in der Lage gewesen wäre, sich erst einmal auf die Suche danach zu begeben. Welch ein Teufelszeug auch immer er sich gespritzt haben mochte, welche merkwürdigen Getränke Hank ihm eingeflößt haben dürfte, die Folgen setzten ihm auf bisher unbekannte Weise, in den merkwürdigsten Abständen und Schüben zu.
      Ein Arm Hanks stützte seinen Rücken, und Jack hustete, als er das kühle Glas an seinen Lippen fühlte. Der Krampf beruhigte sich, und wieder hob der andere das Getränk an seinen Mund, das Jack diesmal gehorsam schluckte. Die kühle Flüssigkeit durchfloss seine Kehle wie ein wohltuender Balsam, und Jack spürte die Anspannung aus seinem Körper weichen. Wehrlos ließ er sich wieder zurück auf die Matratze betten, fühlte noch einmal den feuchten Lappen, der mit sanften Bewegungen sein Gesicht von kaltem Schweiß reinigten, die langen Finger, die wie nebenbei durch sein Haar fuhren und es schließlich, beinahe zögernd verließen, bevor er wieder zurücksank in die tiefe Dunkelheit, aus der er aufgeschreckt war.
      * * * * *

      Wie oft sich diese oder eine ähnliche Szene wiederholt haben mochte, Jack konnte es nicht sagen. Er wusste auch nicht, ob eine oder bereits mehrere Nächte vergangen, ob Hank an seiner Seite gewacht hatte, oder ob es sich nur um eine neue Art düsterer Träume handelte, die ihn heimsuchten und seinem Schlaf die Ruhe nahmen.
      Auch wusste er nicht wie spät es war, als er seine Augen öffnete und seine Umgebung mit ungewohnt klarem Blick wahrnahm. Das Licht, das durch die Ritzen der Jalousien drang, bewies ihm, dass es noch Tag war. Es erhellte den kleinen Raum, erleuchtete vereinzelt Ecken und Abschnitte, die ihm bisher entgangen waren.
      Jack streckte sich, erstaunt darüber, dass es ihm problemlos gelang, dass die Bewegung ihm keinerlei Beschwerden verursachte, dass auch das vorsichtige Aufrichten des Oberkörpers frei blieb von Übelkeit oder dem Brechreiz, den er unterbewusst bereits damit in unausweichliche Verbindung gebracht hatte.
      Nachdenklich studierte er die Wände, die Unebenheiten, die Löcher, die bewiesen, dass es sich bei dem Holz um ein lebendiges Material handelte, die schiefen Balken, die das Dach trugen, und den Staub, der sich in jedem Winkel festgesetzt hatte, Zeugnis dafür, dass dieser kleine Raum selten benutzt wurde.
      Langsam brachte Jack die bloßen Füße auf den Boden. Darauf bedacht seinen Kreislauf langsam zu stabilisieren, wartete er eine Weile, bis sich sein Körper an die neue Position gewöhnt hatte, lauschte in die Stille, ließ seine Blicke systematisch Meter für Meter seiner Schlafstätte in sich aufnehmen.
      Ihm gegenüber an der Wand war eine Gitarre befestigt, offensichtlich abgegriffen und intensiv in Gebrauch gewesen, bevor sie an diesen Ort verbannt und vergessen worden war. Vorsichtig stand Jack auf, und trat näher an sie heran, erleichtert darüber, dass er ohne Beschwerden dazu in der Lage war, betrachtete ihre runden Kurven, strich über die grauen Saiten, sich an die wenigen Versuche seiner Jugend erinnernd diesem Instrument eine Melodie zu entlocken. Er war nicht weit gekommen damals, sehr rasch hatten andere Anforderungen und Pflichten ihn zu sehr in Anspruch genommen, als dass er sich um wenig Erfolg versprechende Spielereien wie die Musik hätte kümmern können.
      Seine Untersuchung führte ihn weiter, ein schmales Bücherregal fesselte seine Aufmerksamkeit.
      Die Geschichte der A.I.M., Freiheit für Leonard Peltier, Black Elk Speaks..., Broschüren wechselten sich ab mit gebundenen Sammlungen über Kultur und Geschichte der Lakota, den Ereignissen am Wounded Knee oder den Erinnerungen des Schamanen Lame Deer.
      Auch hier sprach der, wie eine Matte alles bedeckende Staub, von mangelndem Interesse, davon, dass seit Jahren niemand mehr den Büchern Beachtung geschenkt haben dürfte.
      Inmitten der Druckerzeugnisse entdeckte Jack einen Bilderrahmen, kaum zu erkennen, halb zur Seite gedreht, als hätte jemand seinen Anblick nicht mehr ertragen können, es aber dennoch nicht über das Herz gebracht, ihn wegzuwerfen.
      Einen Moment zögerte er, doch dann zog er das Bild aus dem Regal. Wenn nicht damit zu rechnen wäre, dass er Antworten erhalten würde, dann musste er sie eben selbst suchen. Zudem, was sollte auch passieren?
      Seine Augenbrauen schossen in die Höhe, sobald er erkannte, was das Photo zeigte.
      Hank, ein deutlich jüngerer Hank, ein ungewohnt breites Grinsen im Gesicht, den Arm freundschaftlich um einen kleineren Mann gelegt, der mindestens ebenso gut gelaunt in die Kamera sah.
      Beide befanden sich offenbar auf einer größeren Veranstaltung, trugen lässige, aber bunte Kleidung umrahmt von ebenso fröhlichen, entspannt wirkenden Menschen.
      Jack wischte den Schleier, der sich über dem Glas gebildet hatte, mit dem Handrücken fort, und betrachtete den zweiten Mann genauer.
      Er hatte sich nicht getäuscht. Wie auch immer er es drehen oder wenden wollte, der Andere besaß eine unverkennbare Ähnlichkeit mit ihm selbst. Größe, Figur, Gesichtszüge, alles wirkte, als hätte jemand eines von Jacks Hochzeitsphotos genommen und daran manipuliert.
      Lediglich die Haare waren anders, so lang hatte er sie damals nicht getragen, auch waren sie nie so hell gewesen. Auch der Schnurrbart, der beinahe aufgeklebt aussah, verlieh dem Gesicht eine eigene Note.
      Und dennoch, es war nicht zu leugnen, dass sie sich glichen, dass, ausgehend von Hanks jugendlicher Erscheinung, der andere Mann mittlerweile auch in seinem Alter sein dürfte.
      Einen Augenblick überlegte er noch, dann stellte er das Bild wieder zurück. Vielleicht könnte hierin eine Erklärung für Hanks Verhalten zu finden sein, vielleicht erinnerte er ihn an einen Jugendfreund.
      Jack zuckte mit den Schultern und wandte sich weiter in Richtung Tür. Das Fehlen jeglicher Geräusche deutete darauf hin, dass er alleine war, doch traute er Hank auch zu, es gewohnt zu sein, sich lautlos, unbemerkt fortzubewegen, an einem Ort zu leben, ohne Spuren oder Hinweise auf seine Anwesenheit zu hinterlassen.
      Er widerstand der Versuchung die geschlossenen Türen, die an diejenige seines Zimmers grenzten, aufzustoßen und zu erforschen welche Geheimnisse dahinter verborgen sein mochten, sondern bemühte sich zunächst darum, die Stufen lautlos hinabzusteigen, ein Unterfangen, dem das Knarzen des Holzes einen Strich durch die Rechnung machte.

      Die Mühe hätte er sich allerdings nicht zu machen brauchen, denn unten angekommen, zweifelte er nicht mehr daran, das einzige, menschliche Wesen in diesem Haus zu sein.
      Systematisch durchschritt er das Erdgeschoss, aus reiner Gewohnheit sich seine Umgebung einprägend, analysierend, auf jedwede Auffälligkeit untersuchend.
      Nichts, dass ihn verwundern, das ihm in irgendeiner Weise verdächtig erscheinen würde, fesselte seine Aufmerksamkeit.
      Die Tür stand halb offen, als wäre das Haus in Eile verlassen worden, als bräuchte man sich hier keine Sorgen um sein Eigentum zu machen.
      Der rote Sand knirschte warm unter seinen Füßen, angenehm, freundlich, lud ihn ein, weiterzugehen.
      Jack legte den Kopf in den Nacken, starrte in den Himmel hinauf, in dem sich Wolken zusammenballten. Sein Blick wanderte weiter, erforschte die Gegend, genoss die Ruhe, die sich ihm bot. Frieden, der Hand in Hand ging mit Trostlosigkeit, Stille, die sich auf das Fehlen von Dingen gründete, welche andernorts lautstark ihre Unverzichtbarkeit kundtaten.
      Ein merkwürdiges Gefühl beschlich ihn, ein Band zu diesem Land wuchs, ergriff ihn mit unsichtbaren Fingern, fesselte ihn mit sanfter Hand. Als hätte er seine Vergangenheit begraben, sein gelebtes Leben beendet, um hier wieder zu erwachen, um hier einen neuen Sinn zu entdecken, die Freiheit zu fühlen, dies aus eigenen Stücken tun zu können.
      Plötzlich losgelöst, entdeckte Jack diese neue Welt, erfand sich für den Moment neu, erstaunt über die Wunder, die sich ihm darboten.
      * * * * *

      Hank blieb noch einen Moment in seinem Wagen sitzen, strich sich das lange Haar zurück und seufzte, ohne sich dessen bewusst zu sein.
      Teds Probleme waren weder neu, noch ungewöhnlich, doch, dass seine Frau ihn zu Hilfe holen musste, war doch ein Novum. Alkohol und Drogen stellten nur eine der ständigen Bedrohungen dar, mit denen er sich auseinanderzusetzen hatte, Armut, Hoffnungslosigkeit und Depression gab seinem Volk den Rest. Es war nicht viel übrig geblieben von der vor vielen Jahren aufgeflackerten Begeisterung für Gleichberechtigung, dem Hauch von Interesse, dass die Weißen ihnen entgegengebracht hatten. Nach wie vor waren sie gut genug für exotische Darbietungen, willkommen auf Baustellen ihren Hals zu riskieren, und zähneknirschend geduldet, sollte es wenigen gelingen, sich ein Geschäft aufzubauen.
      Für die Mehrzahl blieb das Leben schwierig, anstrengend und frei von Ermunterung oder Erfolg. Kein Wunder, dass viele versuchten dem zu entfliehen, eine Chance zu suchen, auch wenn es nahezu aussichtslos blieb.
      Hank blickte auf die verbeulte Autotür, die, wie er wusste, einen kräftigen Stoß benötigen würde, um aufzuspringen, dachte an den Rost, der alle Fahrzeuge hier schmückte, als wäre er ein Wahrzeichen ihrer Mittellosigkeit, und überlegte für einen Moment, sich eine Zigarette anzuzünden, verwarf den Gedanken jedoch schnell wieder. Es würde auch nichts ändern oder besser machen.
      Müde kletterte er aus seinem Sitz und streckte die erschöpften Glieder. Der Schlafentzug machte sich langsam bemerkbar, es war allerhöchste Zeit ihm Rechnung zu tragen.
      Die Dämmerung hatte eingesetzt, die Sonne war bereits hinter Hügeln und Wäldern verschwunden, auch wenn ihr Licht noch ausreichte, seinen Weg zu erhellen.
      Die Pferde hatten ihn bereits erwartet, erleichterten ihm seine Arbeit, als er sie für die Nacht vorbereitete.
      Er lächelte zum ersten Mal, als er den Fußabdruck vor dem Haus erkannte, offenbar ging es Jack etwas besser. Hank hatte keinen Zweifel, dass der andere sich im Inneren befand, wäre dem nicht so gewesen, er hätte es gespürt.
      Genauso wie er im voraus wusste, wo er Jack finden würde.
      Als Hank die Küche durchquert hatte, sah er den Blonden auf der Bank am Tisch sitzen, die Knie angezogen, den Kopf zurückgelehnt, offensichtlich schon eine Weile vor sich hin dösend.
      Vor ihm ein Glas und den Krug mit Wasser, der sich für gewöhnlich neben dem Herd befand.
      Ein zweites Lächeln zuckte über Hanks Gesicht. Dass Jack noch nicht erwacht war, schien ihm ein gutes Zeichen. Der Mann wirkte wie jemand, der auch im Schlaf gewohnt war, auf jedes Geräusch zu reagieren.
      Erst als Hank sich zu ihm setzte, zuckte Jack, krümmte sich zusammen, als versuche er sich vor einem Angriff zu schützen und öffnete erschrocken die Augen.
      Sein Blick klärte sich vom Nebel, als er die vertrauten Züge vor sich sah und er versuchte, sich unauffällig wieder aufzurichten.
      “Hank... ich...”
      Jacks Aufmerksamkeit richtete sich auf die Dinge auf dem Tisch, doch Hank winkte rasch ab.
      “Es ist in Ordnung, Jack. Nimm dir was du brauchst.”
      “Meine Sachen?”
      Ein kurzes Nicken in Richtung eines niedrigen, alten Schrankes.
      “In Sicherheit.”
      Ein Grinsen ließ sich nicht vermeiden, und zu Hanks Erstaunen erwiderte Jack den Gesichtsausdruck.
      “Ich weiß”, murmelte er. “Es... es scheint wohl nicht so, als würde ich großen Wert darauf legen.”
      “Nein.” Hanks Grinsen wurde breiter.
      “Willst du etwas essen?”
      Ohne die Antwort abzuwarten, stand Hank auf, und holte zwei tiefe Teller, die er mit einem Topf und einer Schüssel Brot vor ihnen aufbaute.
      “War nicht einkaufen,” meinte er, als er die kalte Suppe aufteilte, und Jack das Brot hinüberschob.
      “Ich... bin nicht sicher...”
      Jack betrachtete den Inhalt seines Tellers skeptisch.
      “Versuch es.” Hank zuckte mit den Schultern.
      “Behälst du es noch nicht, dann klappt es beim nächsten Mal.”
      Schweigend machten sie sich daran, ihren Hunger zu stillen, Jack langsam und vorsichtig, Hank eilig und froh über den Moment der Ruhe.

      “Und...” Jack entschloss sich nach einer Weile sein Glück nicht über zu strapazieren und schob den Teller beiseite. Er zögerte.
      “Und... ich meine... wieso?”
      “Wieso was?”
      Hank hatte sein Mahl ebenfalls beendet und lehnte sich zurück.
      “Ich bin nur... ich wundere mich...”
      Jack biss sich auf die Zunge. Diese Unsicherheit war neu für ihn. Er wusste nicht, wieso er nicht dazu in der Lage war, seine Gedanken klar zu äußern. Je sicherer Hank ihm gegenüber auftrat, desto mehr fühlte er sich verwirrt.
      Und wieder schien der andere in ihn hineinsehen zu können, das belustigte Funkeln in den dunklen Augen sprach für sich.
      “Du kannst hier bleiben, solange es gut für dich ist, gehen, sobald du dazu bereit bist.”
      Der Blick wurde ernst. “Das Zimmer oben ist deines, es hat auf dich gewartet.”
      “Und... und deine Familie...?”
      “Ist es gewohnt Fremde aufzunehmen. Das Haus ist groß genug und das gehört dazu.”
      “Aber in...”
      Die hochgezogenen Augenbrauen brachten Jack zum Schweigen, jedoch nur für einen Moment.
      “Ich... ich habe ein Photo gesehen...”
      Abrupt schob Hank den Stuhl zurück und stellte die Teller zusammen. Sein schwarz glänzendes Haar bildete einen Vorhang, der seinen Gesichtsausdruck verbarg.
      Er drehte sich um und machte sich an dem Spülbecken zu schaffen. Als er endlich wieder sprach, klang seine Stimme heiser, widerstrebend.
      “Es war sein Zimmer, wenn er allein sein wollte. Ich... es stand lange leer. Wir haben genug Räume...”
      “Was ist mit ihm?”
      Hank zögerte, räusperte sich, bevor er antwortete.
      “Er starb... vor vielen Jahren.”
      Jack senkte den Kopf.
      “Es tut mir leid.”
      Hank zuckte mit den Schultern. “Du hast das Recht zu fragen. Du siehst aus wie... du siehst ihm ähnlich. Es... es hat mich auch irritiert.”
      “Hast du mich deshalb... mitgenommen?”
      Der größere Mann schüttelte den Kopf. “Es war so bestimmt. Ich hätte nichts anderes tun können.”
      Ein längeres Schweigen trennte sie, bevor er weitersprach. “Es war meine Pflicht.”
      Jack nickte, zögerte.
      “Danke,” brachte er schließlich heraus, ohne aufzusehen. “Ich danke dir.”
      “Kein Problem.”
      Jack sah auf und ihre Blicke trafen sich letztendlich, verstanden einander so wie ihre Seelen es taten.
      * * * * *